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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 21. November 2019, Az 12 A 193/17: Die Verurteilung wegen Untreue führt zur Aberkennung eines medizinischen Professorentitels. Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Matthias Losert, Berlin
Der Fall
Der Kläger lehrte als Professor an der medizinischen Fakultät einer Universität. Er wurde 1991 zum außerordentlichen Professor mit einer Lehrverpflichtung von zwei Semesterwochenstunden ernannt. Ein Jahr darauf später erhielt der Kläger eine Ernennung zu einer ordentlichen Professur. Diese Professur war auf 6 Jahre begrenzt, und nach Ablauf dieser 6 Jahre führte er seinen Professorentitel weiter.
Der Kläger wurde dann im Jahre 2015 wegen gewerbsmäßiger Untreue in 327 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Daraufhin widerrief die Universität den Professorentitel des Klägers. Dagegen klagte der Kläger vor dem Verwaltungsgericht.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat die Klage abgewiesen. Es nahm dabei auf § 65 Absatz 1 Satz 2 des Hochschulgesetzes Schleswig-Holstein (HSG SH) Bezug. Diese Norm des Hochschulgesetzes verweist wiederum auf die Norm des § 24 Abs. 1 Nr. 1 des Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Nach diesen Normen gilt bei dem Widerruf einer Professur das gleiche wie bei der Entfernung eines Beamten aus dem Dienst.
Nach dem Beamtenstatusgesetz endet das Beamtenverhältnis mit einem rechtskräftigen Urteil, bei dem der Beamte wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr verurteilt wird. Bei der gewerbsmäßigen Untreue handelte es sich ausweislich der Urteilsgründe um eine vorsätzliche Tat.
Keine Ermessensfehler der Universität
Das Verwaltungsgericht hat angesichts der schweren Verfehlungen des Klägers auch keine Ermessensfehler bei der Universität gesehen:
Es sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte ihr Ermessen nicht missbraucht. Sie durfte zur Bewertung des Verhaltens des Klägers auch gesellschaftspolitische Erwägungen wie ihre Ehre und ihr Ansehen heranziehen. Bei einer außerplanmäßigen Professur handelt es sich, wie bereits erwähnt, um einen Ehrentitel, der auch für die Integrität, das Ansehen und die Ehre der Universität bedeutsam ist. Er wird erteilt, wenn sich der Empfänger an der Hochschule bewährt hat. Dazu dürfen bei der Ermessensausübung durchaus verschiedene, namentlich gesellschaftspolitische und wissenschaftsbezogene Erwägungen angestellt werden.
Der Wissenschaftsbezug der Verfehlungen
Der Kläger führte an, dass es bei seinen Straftaten am Wissenschaftsbezug mangle. Er nahm dabei auf das Hochschulgesetz des Landes Baden-Württemberg Bezug. In diesem Hochschulgesetz ist es Voraussetzung für den Entzug einer Professur, dass sich der Betreffende unwürdig verhalte.
Das BVerfG hat in seinem Nichtannahmebeschluss vom 03.09.14 , Az 1 BvR 3353/13 diese Norm so ausgelegt, dass hier ein Wissenschaftsbezug des Fehlverhaltens vorliegen muss.
Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall aber nicht gefolgt. Das Verwaltungsgericht nahm auf den genauen Gesetzeswortlaut Bezug. Im HSG SH wird eine Unwürdigkeit für einen Entzug des Professorentitels nicht erwähnt. Das Verwaltungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass das Landesrecht klar auf die bundesrechtliche Norm des BeamtStG verweise. In dieser Norm wird nicht differenziert, ob die strafrechtliche Verurteilung einen dienstlichen Bezug hat oder nicht. Das Verwaltungsgericht führt daher wie folgt aus:
Zum anderen setzte das HSG Baden-Württemberg in der vom 14.07.12 bis 08.04.14 gültigen Fassung in § 35 Abs. 8 a.F. für die Entziehung eines außerplanmäßigen Professorentitels gerade voraus, dass der Inhaber des Titels sich durch sein späteres Verhalten der Führung des Titels als unwürdig erwiesen hat. Diese Formulierung lässt einen Spielraum in der Bewertung des Verhaltens zu, ob dieses Merkmal erfüllt ist oder nicht.
Eine solche Wertungsmöglichkeit ist im HSG SH nicht vorgesehen. Dort kann ein Titel entzogen werden, wenn Gründe vorliegen, die bei einer Beamtin oder einem Beamten zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen würden. Es sind keine „Unwürdigkeit“ oder ähnlichen Tatbestandsvoraussetzungen auszulegen. Auch in den Gründen, die zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen, ist keine Wertungsmöglichkeit des Verhaltens vorgesehen, denn ein Beamtenverhältnis endet nach § 24 I 1 Nr. 1 BeamtStG, wenn die Beamtin oder der Beamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, unabhängig davon, ob die Verfehlung wissenschafts- bzw. dienstbezogen war.
Zusammenfassung des Urteils
Hätte der Kläger im Bundesland Baden-Württemberg gelebt, hätte ihm der Professorentitel nicht entzogen werden können. Es kommt also darauf an, welches Hochschulgesetz einschlägig ist. Das führt zu dem Ergebnis, dass unterschiedliche Maßstäbe an die Bewertung von strafrechtlich relevantem Verhalten angelegt werden. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG sind diese unterschiedlichen Hochschulgesetze bedenklich, aber wegen der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer hinzunehmen. Interessant ist auch, dass an Beamte beim Verlust der Beamteneigenschaft in einigen Bundesländern geringere Anforderungen als an den Verlust des Professorentitels gestellt werden.
Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Matthias Losert, Berlin
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