Zuletzt aktualisiert am 03.10.2024 um 0:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Erfolgt eine beamtenrechtliche Anordnung zu einer amtsärztlichen Untersuchung, um die Feststellung der Dienstfähigkeit zu prüfen, so obliegt den Betroffenen in Anbetracht einer nachfolgenden Verfügung in die Ruhestandsversetzung nicht nur im Verfahrenswege die gerichtliche Klärung, sondern können auch die hierzu ergangenen Maßnahmen isoliert angefochten werden.
Sachverhaltsklärung eines Polizeibeamten aus Rheinland-Pfalz
Im Vorlauf der anhängigen Verfahren hatte ein rheinland-pfälzischer Polizeibeamter sich einer nächtlichen Trunkenheitsfahrt mit dem Straftatbestand der absoluten Fahruntüchtigkeit schuldig gemacht. Die bei dem Beamten festgestellte Blutalkoholkonzentration betrug 1,79 Promille und im Zusammenhang der Blutuntersuchung konnte auch sogenannte Benzodiazepine, das sind muskelentspannende, schlaffördernde und krampflösende Stoffe, festgestellt werden. „Benzos“ sind auch in der Drogenszene ein Begriff und werden aufgrund ihrer entspannenden Wirkung konsumiert. Im Nachgang einer polizeiärztlichen Untersuchung ordnete das Land Rheinland-Pfalz eine fachpsychiatrische Einschätzung des Beamten durch einen Amtsarzt an. Gegen diese Maßnahme legte der Beamte beim Verwaltungsgericht Koblenz Widerspruch ein und beantragte eine vorläufige Freistellung von der Untersuchung.
Das Gericht erließ einen ablehnenden Bescheid zum Eilantrag des Beamten und verwies in der Begründung darauf, dass die Maßnahme der Untersuchungsanordnung nicht isoliert anzufechten sei. Daraufhin legte der Polizeibeamte Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Koblenz ein, welches dem Eilantrag statt gab und damit den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufhob. In dem Eilrechtsverfahren traf das Oberverwaltungsgericht damit eine Entscheidung, die sich auch gegen die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichtes stellt. Die Koblenzer Richter sahen die Zulässigkeit des Eilantrages begründet, da diese nicht der Regelung aus der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), spezifisch ausgewiesen durch den Paragrafen 44a Satz 1, entgegenstehen würde. Hiernach sind isolierte Handlungen des Verfahrens sowie Rechtsbehelfe ausgeschlossen, da diese nur im Verbund mit den gegen den Sachentscheid begründeten Rechtsbehelf Geltung erlangen können.
Verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Antragstellers
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz ließ es in seinen Ausführungen dahingestellt sein, ob die Untersuchungsanordnung eine Verfahrenshandlung im Sinne der Rechtsvorschrift sei. Das Gericht ging von einer begründeten Ausnahmeregelung des Paragrafen 44a Satz 2 der VwGO aus, in der vollstreckbare Verfahrenshandlungen auch isoliert angefochten werden können. Die Ausschließung einer derartigen isolierten Anfechtungsmöglichkeit sei demnach auch nicht mit dem verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz des Antragstellers in Einklang zu bringen. In der bevorstehenden zeitlichen Phase bis zum abschließenden Sachentscheid hätte nach Auffassung des Gerichtes auch ein irreparabler Zustand entstehen können. Die Begriffsdefinierung einer vollstreckbaren Verfahrenshandlung umfasse auch Maßnahmen, die nicht durch Mittel des Zwanges vollstreckbar seien, aber beispielsweise durch disziplinarrechtliche Folgen geahndet werden könnten.
Im Einklang mit der anerkannten Rechtsprechung, die dem Betroffenen nicht zumuten kann Streitfragen, welche gerichtlicher Klärung bedürfen, in ein Verfahren hineinzutragen, sah das Oberverwaltungsgericht den Eilantrag auch in der Sache als begründet an. Die Anordnung zur fachpsychiatrischen Amtsarztuntersuchung stünde entgegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und habe nicht den rechtlichen Anforderungen entsprochen. Allein die Trunkenheitsfahrt des Polizeibeamten reiche nicht aus, um eine derartige Untersuchung zu begründen. Auch hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Antragsteller unter einer „Alkoholsucht“ leide, so das Gericht. In Rücksichtnahme auf die Verhältnismäßigkeit hätte das Land zunächst mildere Mittel verhängen können, beispielsweise unangekündigte Alkoholtests gegenüber dem Beamten, bevor dieser seinen Dienst antritt. Der Nachweis eines durch einen Arzt verordnungsfähiges Medikament ließe eine fachspezifische Amtsarztuntersuchung ebenfalls nicht zu.
Quelle: Urteil vom 29. Oktober 2020, Az. 2B11161/20 Oberverwaltungsgericht Koblenz
Weiterführende Quellen zu diesem Thema
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