In Nordrhein-Westfalen will die schwarz-gelbe Landesregierung die Umstrukturierungen und Neuausrichtungen im Bereich der Inklusion fortsetzen. Sonder- und Förderschulen sollen erhalten werden, wodurch sich die Regierung eine dauerhafte Entlastung der Regelschulen verspricht. Die Maßnahmen erhitzen die Debatte zwischen Lehrern, Bildungswissenschaftlern und Politikern.
Inklusion am Scheideweg?
Die statistischen Zahlen zum Schulbesuch von Kindern mit Förderbedarf an Regelschulen könnten innerhalb der Bundesrepublik nicht unterschiedlicher sein. In Bremen beispielsweise besuchen 89 von 100 Kindern mit spezifischem Förderbedarf eine Regelschule, während es in Hessen nur 27 sind. Doch was drücken banale Zahlenspiele über die schwerwiegende Frage aus, ob ein Schüler mit einem Handicap in der Gruppe einer Regelschule oder innerhalb der sonderpädagogischen Förderschule besser aufgehoben ist. Über eine halbe Million solcher Schüler in die Regelschule zu integrieren ist mit Sicherheit keine leichte Aufgabe. Hierzu bedarf es den Willen, die Voraussetzungen, das Personal und der ausreichenden Unterstützung.
Gerade hierzu hat sich die Bundesrepublik vor fast 10 Jahren verpflichtet, als die Behindertenrechtskonvention (BRK) der Vereinten Nationen in Kraft trat und die Teilnehmerländer sich vertraglich dazu verpflichteten ein neues, inklusives Schulsystem zu schaffen. Seither betont die deutsche Bundeskanzlerin gebetsmühlenartig, wie wichtig die Umsetzung dieser Maßnahme sei. Doch im föderalen Staat verfolgen viele Bundesländer augenscheinlich eine andere politische Ausrichtung. Gerade in Nordrhein-Westfalen haben die letzten Landtagswahlen aufgezeigt, wie schnell Regierungsverantwortung durch eine verfehlte Schul-und Bildungspolitik schwinden kann.
Wohin steuert Nordrhein-Westfalen?
Sicherlich hat die vormalige rot-grüne Landesregierung im bildungspolitischen Sektor erhebliche Fehler zu verantworten, indem sie dem Land eine Art Radikalkur in Sachen Inklusion verordnete, die im Besonderen den betroffenen Kindern nicht gerecht werden konnte. Allein in NRW sind mehr als ein Viertel der förderbedürftigen Schüler ansässig, etwa 140.000 Kinder und Jugendliche. Inzwischen besuchen 41 Prozent von ihnen die Regelschulen. Noch vor zehn Jahren lag dieser Wert bei knapp 12 Prozent. Die vielleicht gut gemeinten Radikallösungen der Vorgängerregierung wurden mangelhaft umgesetzt, da es vielerorts an den schlichten Grundvoraussetzungen wie Ausstattung und Fachpersonal mangelte.
Die neue zuständige Ministerin, Yvonne Gebauer (FDP) will die Fehler nun korrigieren und eine Neuausrichtung des Landes beim Thema Inklusion angehen. Die vorbereitenden Grundsätze sind hierfür schon vom Kabinett bewilligt worden. Ab dem Schuljahr 2019/2020 werden ab der fünften Klasse nur noch sogenannte Schwerpunktschulen einen inklusiven Unterricht anbieten. Zur Eignung ist es erforderlich, dass die Schulen sonderpädagogische Fachkräfte, Räumlichkeiten und tragbare Konzeptionen nachweisen. Eingangsklassen werden auf 25 Schüler begrenzt, davon drei Kinder mit entsprechendem Förderbedarf. Über 1.000 Schulen hatten bislang weniger Förderkinder pro Klasse aufgenommen und fielen bereits aus dem System.
Dennoch investiert die neue Landesregierung massiv in den Inklusionsgedanken, so Ministerin Gebauer, da für jede Klasse eine zusätzliche halbe Stelle gewährt werden soll, die mit einem weiteren Erzieher, Sonderpädagogen oder einem Sozialarbeiter besetzt wird. So sollen in den kommenden sechs Jahren im Rahmen der Umstrukturierung 6.000 weitere Stellen geschaffen werden. Für die Gymnasien gilt, dass nur förderbedürftige Kinder aufgenommen werden sollen, denen auch die Prognose gestellt werden kann das Abitur zu bewerkstelligen. Auch die Sonderschulen bleiben erhalten und können ab dem nächsten Jahr mit erheblichen Stellenaufstockungen rechnen.