Zuletzt aktualisiert am 03.10.2024 um 20:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt wurde Mitte Oktober über die Klage einer in Teilzeit beschäftigten Pflegekraft entschieden, die einen Anspruch auf die Zahlung einer Entschädigung sowie Gutschriften auf ihrem Arbeitszeitkonto geltend machte. Die entsprechenden Regelungen aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der kommunalen Arbeitgeber sahen die Klagevertreter als entsprechend diskriminierend an. In der Vorinstanz wurde der Sachverhalt bereits vor dem Landesarbeitsgericht in Nürnberg erörtert.
Überstunden und Mehrarbeit im Sinne der tariflichen Sonderregelungen
Dem Sachverhalt zugrunde lag die Beschäftigung der Klägerin als Teilzeitpflegekraft in einem privaten Klinikbetrieb mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden. Die hierfür erforderliche Wechselschichtarbeit wurde nach einem monatlich geplanten Dienstplan erbracht. Die für beide Seiten bindende Haustarif richtete sich nach den Bestimmungen des TVöD-K des Jahres 2017, welcher auch die Regularien für die Vergütung von Mehrarbeit und Überstunden beinhaltete. Vom Januar bis zum Juli des Jahres 2017 leistete die Klägerin über ihre vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene sowie auch ungeplante Mehrarbeit, ohne allerdings die wöchentliche Arbeitszeit gemäß einer Vollzeitbeschäftigung zu überschreiten.
Die beklagte Klinikbetreiberin vergütete diese Mehrarbeitsstunden nach dem tariflich anteiligen Entgelt laut Tabelle. In der Klage wurde ein Anspruch auf weitere Zahlungen von Überstundenzuschlägen begründet, die sich auf die Grundlagen der Paragrafen 7 (Abs. 8) und 8 (Abs. 1) des TVöD-K beziehen. Bei den geplanten Mehrarbeitsstunden habe es nach Auffassung der Klägerin keine Rolle gespielt, ob diese eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in Vollbeschäftigung überschritten haben und im Falle der ungeplanten Überstunden sei ein entsprechender Anspruch ohnehin gegeben, da die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit nicht überschritten wurde. In diesem Zusammenhang verwies die Klägerin darauf, dass bei einer anderen Verfahrensweise ihre Anstellung als Teilzeitbeschäftigte nach nationalen und auch europäischen Recht eine Diskriminierung gegenüber einer Vollbeschäftigung darstellen würde.
Entscheidungserhebliche Fragen zur Auslegung des Europarechtes
Nach dem Gang durch die Instanzen war es im Besonderen die Forderung nach einer Entschädigungszahlung gemäß dem Paragrafen 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), welche vom Bundesarbeitsgericht beurteilt werden sollte. Die eigenständigen Regelungen und Differenzierungen aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der kommunalen Arbeitgeber überschreiten nach Auffassung der Bundesrichter nicht den im Artikel 9 (Abs. 3) des Grundgesetzes gewährleisteten Gestaltungsspielraum. Eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten ist nicht gegeben. Die für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigte zu berücksichtigenden Sonderregelungen des im Paragrafen 7 (Abs. 8) TVöD-K erläuterten Maßgaben zur Entstehung von Überstunden im Bereich des Wechsel- oder Schichtdienstes seien jedoch nicht konform mit dem Gebot der Normklarheit. Ein unmittelbarer Entscheid des Bundesarbeitsgerichtes blieb allerdings aus.
Die Richter sahen es als notwendig an, zunächst den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um die Beantwortung einiger entscheidender Fragen zu ersuchen, welche in diesem Zusammenhang vor allem die Auslegung des europäischen Rechts deutlich machen würden. In den Kernfragen geht es darum, ob die nationalen tariflichen Vereinbarungen gerade im Bereich der Überstundenzuschläge ausschließlich für Arbeitsstunden anzusehen sind, die über eine Arbeitszeit im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung hinaus gehen und enthalten diese eine ungleiche Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber in Vollzeit tätigen Arbeitnehmern/- innen? Eine Berücksichtigung finden hier der Art 157 des AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), welcher die Gleichheit des Arbeitsentgeltes sicherstellt und die Diskriminierungsgrundsätze der Europäischen Richtlinien. Diese enthalten in ihren Rahmenvereinbarungen auch die Vorgabe, dass Teilzeitbeschäftigte gegenüber Beschäftigten in Vollzeit nicht schlechter behandelt werden dürfen, unter der Ausnahmeanmerkung, eine solche unterschiedliche Behandlung sei aus objektiven Gründen vertretbar.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema
1. Beschluss Bundesarbeitsgericht (8 AZR 370/20 (A) vom 28.10.2021
2. Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht vom 15.10.2021
3. Haufe.de
4. Amtsblätter der Europäischen Union
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