Zuletzt aktualisiert am 31.08.2024 um 16:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Die Zeit des fleißigen Sparens ist vorbei. Wozu auch? Kredite sind in, Zinsen sind out. Aber wohin mit dem Geld? Deutsche Sparer legen Wert auf ihre Sicherheit. Sie scheuen Fonds und Aktien und lassen das Geld auf ihrem Konto. Zu null Prozent und weniger. Konten werden mit Negativzinsen belastet. Sie sollen das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
Ich habe eine Vision:
Die Formelsammlung der Mathematik wird zurechtgestutzt. Das Schema über das exponentielle Wachstum von Zinsen wird gestrichen. Weg damit! Zu viele Schüler sind an den abgegriffenen Zinseszinsrechnungen gescheitert. Pass auf!
Über die Jahre haben mich die Zinsen der Zinsen zu einem zufriedenen Menschen gemacht. Mit einem satten Konto, das einmal meine Altersversorgung versüßen sollte. Von den Zinsen kann ich nicht mehr leben. Das Gegenteil ist der Fall. Ich werde für mein Sparverhalten bestraft. Aber wohin mit dem Geld? Unter die Matratze? Ich könnte mir jeden Tag eine Kleinigkeit davon nehmen. Ich! Nicht die Bank!
Mit meinem Geld könnte ich eine Immobilie kaufen. Wenn die finanziellen Mittel nicht ausreichen, bekomme ich einen Kredit und eine Prämie dazu! Weil die Banken mir das Geld schenken. Es gibt nämlich zu viel davon.
Das Haus habe ich jetzt. Ich gehe in ein Möbelhaus. Küche, Wohnzimmer, ein neues Bett. Alles auf Kredit. Dafür, dass ich etwas kaufe und sie mir das Geld schenken, bekomme ich noch eine Prämie. Sie nennen es Rabatt. Schließlich zahle ich die Summe in Raten wieder zurück. Ohne Zinsen! Ich könnte süchtig werden …
Ein Auto muss her! Nach taffen Verhandlungen sitze ich hinter dem Steuer eines nagelneuen Traums: Anzahlung und Finanzierung über 36 Monate – zinslos selbstverständlich. Schließlich kurbel ich die Wirtschaft an. Rabatt war keine Frage. Denn Rabatt ist so etwas wie ein negativer Zins.
Ich sitze auf einem Berg Schulden in meinem neuen Haus, in meiner neuen Küche und schlage die Zeitung auf.
Zitat
„Als Folge der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) erheben erste Sparkassen Gebühren für hohe Geldanlagen. Geschäftskunden müssten zum Teil ein sogenanntes «Verwahrentgelt» für Anlagesummen im Millionenbereich zahlen, sagte der bayerische Sparkassenpräsident Ulrich Netzer der Deutschen Presse-Agentur in München. «Wir können das Geld nicht auf Dauer im eigenen Tresor halten.»„Die Geldaufbewahrung bei der EZB kostet Banken inzwischen 0,4 Prozent Strafzins. Dieser müsse bei hohen Summen aus wirtschaftlichen Gründen zumindest teilweise an die Kunden weitergegeben werden.“
„Die Niedrigzinsen beuteln Banken und Sparer gleichermaßen. Doch jetzt können Kunden von der Zinsflaute profitieren: Eine erste Förderbank denkt darüber nach, Negativzinsen auf Kredite zu erheben. Wer sich Geld leiht, bekommt also noch Geld geschenkt.“
„Der Möbelhändler Who’s Perfect bietet bereits seit einigen Wochen Finanzierungen zu einem Zins von „- 1,0 Prozent über 24 Monate“. Wer zum Beispiel eine Couch für 2400 Euro kauft, bekommt 24 Euro überwiesen. Die Tilgungsrate über zwei Jahre beträgt monatlich 100 Euro.“
„Der Negativzins frisst sich langsam, aber sicher durch den Alltag der Bundesbürger. Möbelhäuser gewähren bereits Kredite mit einem Minus-Vorzeichen: Kunden, die einen Kredit abschließen, um Möbel zu kaufen, müssen dann weniger zurückzahlen, als sie aufgenommen haben. Nun ist das Phänomen auch im Autohandel aufgetaucht: Der Daimler-Konzern bietet über sein Händlernetz für manche seiner Modelle Leasing-Verträge an, die einen negativen Zins aufweisen.“
Negativzins? Die Formelsammlung muss wieder her! Dieses Mal muss sie ergänzt werden. Um ein kleines Vorzeichen und um das Adjektiv „negativ“. Da hätte ich nur noch eine Frage. Die für finanzmathematisch Interessierte: Nach Abschaffung der Zinseszinsen könnte man doch eine Formel zur Berechnung des negativen Zinseszinses entwickeln. Damit die Formelsammlung wieder komplett ist. Ich bin sicher, es gibt eine erste Bank, die sich das zutraut!
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