Zuletzt aktualisiert am 07.10.2024 um 8:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Nach dem Scheitern der Sondierungsverhandlungen einer möglichen „Jamaika-Koalition“ sucht die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel händeringend nach einer tragfähigen Regierung. Die Sozialdemokraten, die zunächst eine erneute Regierungsbeteiligung kategorisch ablehnten, sind nun wieder in der Pflicht und es könnte zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen. Infolgedessen kann die SPD alt angedachte Forderungen stellen und bringt die von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) angestrebte Bürgerversicherung wieder ins Spiel.
Forderungen aus dem „linken Parteienspektrum“
Die Bürgerversicherung ist bereits in der vergangenen Legislaturperiode Inhalt viel geführter, parteiübergreifender Diskussionen gewesen. SPD, Linke und die Grünen befürworten mit unterschiedlichen Varianten und Inhalten eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung, um jedermann zu ermöglichen in die neu geschaffene Bürgerversicherung zu gelangen. Hierbei geht es auch um eine Gleichstellung und Vereinheitlichung ärztlicher Honorarforderungen und dem Entgegenwirken von einer damit im Zusammenhang stehenden bevorzugten Behandlung von Privatpatienten.
Eine bei vielen Experten umstrittene, letztjährige Studie der Bertelsmann-Stiftung kam zu der Auffassung, dass der Staat erhebliche finanzielle Mittel einsparen könnte, wenn dieser die Beihilfe der Beamtenschaft abschaffen würde. Die Studie kam im Ergebnis auf Einsparungsmöglichkeiten bis zu 60 Milliarden Euro in den nächsten 15 Jahren. Parallel gibt es allerdings auch anderweitige Gutachten und Studien, welche besagen, dass der Staat bei einer zwangsweisen Zusammenlegung der privaten Krankenversicherungen mit den gesetzlichen Kassen eher noch zusätzliche Kosten aufwenden müsste.
Beamtenbund gegen einheitliches System
Die meisten Beamten verfügen über eine private Krankenzusatzversicherung. Diese stockt den prozentualen Anteil zu den gewährleisteten Beihilfeansprüchen (in der Regel zwischen 50 und 80 Prozent) auf. Auf diese Weise müssen die Beamten nicht die vollen und oftmals hohen Beitragszahlungen der privaten Krankenversicherungen leisten. Der Vorsitzende des Beamtenbundes Ulrich Silberbach äußerte sich zu den Planungen für eine mögliche Bürgerversicherung umgehend gegenüber der Presse und bekräftigte den Willen zum Widerstand. Der Beamtenbund werde alles nur Mögliche versuchen, einer Vereinheitlichung, beziehungsweise Zusammenlegung von Rente, Versorgung, Beihilfe, privater, – und gesetzlicher Krankenversicherung entgegenzuwirken.
Silberbach sieht als besonderen Kritikpunkt eine nachwirkende Verschlechterung des bewährten und verfassungsrechtlich geschützten Sicherungssystems der Beamtenschaft. Nach Aussagen Silberbachs sieht dieser in dem Versuch das eigenständige System zu gefährden oder es sogar in seiner Gesamtheit abzuschaffen eine deutliche Überschreitung von roten Linien und staatlich begründeten Grenzen. Die Beamten, die das Rückgrat eines funktionierenden Staates darstellen und in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis mit diesen stehen, werden gerade deshalb angemessen alimentiert und können nicht aus sozialpolitischen Aspekten im Rahmen vermeintlicher Gerechtigkeitskriterien ein unnötiges Opfer darbringen.
Der dbb-Chef verwies auf das staatliche Einheitssystem in Großbritannien und äußerte sich sehr kritisch über die seit Jahren in der medizinischen Versorgung der vorherrschenden Gegebenheiten. Gerade die Versorgungsengpässe, langes Warten auf Termine, Untersuchungen und Behandlungen ermöglichen es nur finanziell unabhängigen Menschen, entsprechende Zusatzleistungen in Anspruch zu nehmen. So entsteht nach Auffassung Silberbachs eine wirkliche ungerechte medizinische Versorgung einer Gesellschaft. Eine Bürgerversicherung schaffe die weitere Verschärfung eines ohnehin unter enormer finanzieller Belastung stehenden Gesundheitswesens. Die medizinische Versorgung wird durch diesen sozialpolitischen Schritt eher für alle teurer und schlechter, so Silberbach.
Die angesprochene Studie der Bertelsmann-Stiftung nannte der dbb-Vorsitzende „unseriös“. Hierbei handle es sich um Zahlenspiele, welche die angegebenen Sparmöglichkeiten von 60 Milliarden Euro auf der Seite des Bundes und der Länder durch die Umleitung der Beamten in die gesetzlichen Krankenkassen vorgaukeln. Im Eigentlichen sei dies eine Verschleierung der 200 Milliarden Euro Altersrückstellungen innerhalb der privaten Krankenversicherung. Silberbach sieht für die Planungen hinsichtlich einer Bürgerversicherung keinerlei verfassungsrechtliche Grundlage oder auch nur Ansätze einer stichhaltigen und begründeten Argumentation. Beamtenbund und Tarifunion lehnen aus diesem Grund eine wie auch immer angedachte Vereinheitlichung der Beamtenschaft in die Zwangsklassifizierung einer Bürgerversicherung ab.
Erste Schritte
In Hamburg wird es ab dem 1. August kommenden Jahres erste Schritte in eine Wahlmöglichkeit der Beamtenschaft und somit andere Wege des medizinischen Versorgungssystems geben. Hier können sich gerade junge Beamte dann zukünftig auch für die gesetzlichen Krankenversicherungen entscheiden, ohne dass ihnen dadurch ein finanzieller Nachteil entsteht. Der Arbeitgeber erstattet dann die Hälfte der fälligen Beiträge. Bislang war es für den Großteil der Beamten in der Hansestadt, durch die ihnen zustehende Beihilfe, günstiger, einen privaten Krankenversicherungstarif zu leisten.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
- Haufe.de: Beamtenbund ist gegen Bürgerversicherung
Bewertung abgeben
( Abstimmen)