Zuletzt aktualisiert am 01.10.2024 um 8:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 4-5 Minuten
Die Frage, ob Beamte streiken dürfen oder nicht, wird in der generellen deutschen Rechtsprechung grundsätzlich verneint. Dennoch häuften sich in den letzten Jahren immer mehr Klagen an, die sich gegen disziplinarische Maßnahmen richteten, die von den Dienstherren aufgrund von Beteiligungen an Streiks oder vergleichbaren Handlungen verhangen wurden. Hierbei waren einige Kläger in erster Instanz auch erfolgreich und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte im Jahr 2009 im Falle von zwei türkischen Beamten, dass diese durchaus das Recht hätten, sich gewerkschaftlich zu organisieren, Tarifverträge abzuschließen und auch an Streikmaßnahmen teilzunehmen.
Verhandlungsbeginn
Mitte Januar 2018 wird sich nun das Bundesverfassungsgericht dem Sachverhalt annehmen und beginnt die mündliche Verhandlung über die rechtliche Auseinandersetzung, ob ein generelles Streikverbot für Beamte mit den Prinzipien des Grundgesetzes vereinbar ist. Zur Entscheidung stehen zunächst zwei Fallklagen aus Niedersachsen und einer aus Nordrhein-Westfalen an, die durch Forderungen des Streikrechts für Beamte der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft sowie vom Deutschen Gewerkschaftsbund unterstützt werden.
In der Kernauseinandersetzung der Thematik, auch durch die Karlsruher Richter, geht es sicherlich um die Frage, ob in der Bundesrepublik ein Streikrecht für Beamte überhaupt notwendig oder sinnvoll ist. Hierbei ist klar hervorzuheben, dass große Teile der Beamtenschaft durch eigenen Antrieb dazu bereit sind, sich dieses legitime Recht zur Unterstützung des Arbeitskampfes, persönlich zu erstreiten und hiermit eine Gleichstellung mit allen anderen Arbeitnehmern zu erreichen.
Unterstützung der Gewerkschaften
Viele Beamte, die in den vergangenen Jahren dem Aufruf der Gewerkschaften folgten, sich an Streikmaßnahmen zu beteiligen, um ihre tarifbeschäftigten Kollegen in ihren Forderungen zu unterstützen oder auf ihre eigenen Belange aufmerksam zu machen, wurden mit Ermahnungen oder Disziplinarstrafen belegt, welches in einigen Bundesländern auch finanzielle Konsequenzen für die Beamten nach sich zog. Gewerkschaften, wie beispielsweise die GEW hatten diesbezüglich die selbstverständliche Verpflichtung, den Mitgliedern hilfreich zur Seite zu stehen und Ihnen bei juristischen Belangen rechtliche Unterstützung zu gewähren.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vertritt nach Angaben des Vorstandsmitglieds Daniel Merbitz die Auffassung, dass ein Streikverbot sich nur auf die Funktion des Beschäftigten, nicht aber auf dessen Status beziehen sollte, und folgt damit der Begründung aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Dieser Grundsatz sei nun auch in der Bundesrepublik umzusetzen und stehe im Einklang mit der völkerrechtlichen, globalen Entwicklung.
Föderalismusreform und Argumentation
In der Sache folgen die Gewerkschaften mit ihrer Argumentation nur dem Wandel durch die zeitlichen Geschehnisse. Im Rahmen der Föderalismusreform wurden bundeseinheitliche Richtlinien und Leitwerte gelockert, aufgehoben oder vorbehaltlos gestrichen. Lediglich die Gesetzgebung zur Regelung des Beamtenstatus blieb in der Konsequenz von diesen teilweise als höchst problematisch anzusehenden Entwicklungen unbetroffen. Die rechtlichen Folgen, besonders die auseinanderlaufende und unterschiedliche Besoldung der Beamtenschaft in den einzelnen Bundesländern, die ja bereits in Teilen vom Bundesverfassungsgericht gerügt wurde, sind bedenklich.
Der früher geltende Leitsatz, dass die Besoldung den Tarifabschlüssen folgt und entsprechend in den Ländern übernommen wird, ist durch viele mutmaßliche Sparmaßnahmen in der Vergangenheit vielerorts regelrecht zu den Akten gelegt worden. Niedrigere Besoldungserhöhungen, zeitversetzte Anpassungen oder unterschiedliche Erhöhungen in den einzelnen Besoldungsgruppen waren die Folge und verstießen so in einigen Fällen gegen das Alimentierungsgebot oder verfassungsrechtliche Anforderungen.
Schwächung der Arbeitnehmerrechte
Ein Arbeitskampf, als legitimes Druckmittel in schwierigen Tarifverhandlungen, kann nur durch von einer starken, geschlossenen Gewerkschaft geführt werden. Der Vorstand der GEW sieht durch die fehlende Unterstützung und Teilnahme der verbeamteten Mitglieder eine erhebliche Schwächung bei der Durchsetzung entscheidender Forderungen. Die so hervorgerufene Spaltung der Mitglieder innerhalb der Gewerkschaft und die von vornherein ausgenommenen Arbeitsbedingungspunkte, die dem Beamtenrecht unterliegen, schaffen eine erhebliche Disparität bei Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und der Gewerkschaft.
Dieser Umstand überträgt sich auf die Beschäftigten und führt direkt zu einer Schwächung der Arbeitnehmerrechte. Weiter könnte man anmerken, dass sich gerade im Bereich der Bildung die verbeamteten Lehrer und selbstverständlich auch ihre angestellten Kollegen, mit voller Hingabe den dramatischen neuen Anforderungen stellen, während die bildungspolitisch Verantwortlichen im Bund und in den Ländern grundsätzliche Richtlinien, Anforderungen sowie Voraussetzungen verschieben, verändern oder auflösen.
Die Einstellung berufsfremder Quereinsteiger, nicht fachlich ausgebildeter Lehrkräfte oder von Lehrern aus anderen EU-Ländern, könnte in vielen Punkten Kompetenzen unterwandern, Fürsorgepflicht verletzende Handlungen oder Einschränkungen verfassungsgegebener Bildungsansprüche bedeuten und liegt in der Handlungsgewalt öffentlicher, staatlicher Verantwortungsträger, welche gleichzeitig den verbeamteten Beschäftigten ein wesentliches Mittel zum Erstreiten arbeitsrechtlicher Belange verwehren.
Langjährige Thematik
Beim Deutschen Gewerkschaftsbund, der GEW und ver.di bestehen die Diskussionen sowie die Auseinandersetzungen rund um das Streikrecht für Beamte im Wesentlichen schon seit Anfang der 70er Jahre. Schon damals hatte man sich deutlich positioniert und das Streikrecht im Rahmen einer Reform des Beamtenrechts eingefordert, um eine Umsetzung, beziehungsweise Angleichung gemäß Artikel 9 des Grundgesetzes durchzusetzen. Zur jetzigen Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht hatten DGB, GEW und ver.di im Februar des Jahres 2016 stellungnehmende Ausführungen zu den Verfassungsbeschwerden eingereicht.
In der Stellungnahme beziehen sich die Verfasser auf die traditionelle Konstitution der beamtenrechtlichen Treuepflicht, die innerhalb der zeitgeschichtlichen Entwicklung nicht als tragendes Element der bundesdeutschen Verfassung anzusehen sei und eher im Rahmen der gesamten völkerrechtlichen Interpretation neu bewertet werden sollte. Ein striktes Streikverbot für Beamte sollte im Einklang mit den historisch lang bestehenden Grundsätzen des Beamtentums und deren Weiterentwicklungen in eine moderne Gesellschaft, neu überdacht werden. Die Erneuerung des Beamtenrechts muss den Ansprüchen des Artikels 33 Grundgesetz Rechnung tragen und entsprechend ausgearbeitet werden.
Die althergebrachten Begriffe von Treuepflicht und Alimentierung beruhen auf längst vergangenen Traditionen und Gesellschaftsformen, die nicht auf einer demokratischen Rechtsordnung mit parlamentarischer Beschlussfähigkeit zurückzuführen sind. So wird der mit Spannung erwartete mündliche Verhandlungsbeginn im Januar des kommenden Jahres zeigen, inwieweit aus der Historie übernommene staatliche Strukturelemente in einer modernen Demokratie reformierbar sind.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
- dgb.de: Streikrecht für Beamte!
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