Zuletzt aktualisiert am 02.09.2024 um 8:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 4-5 Minuten
Lehrer klagen in einem Brandbrief an die saarländische Landesregierung die unhaltbaren Zustände an der Saarbrücker Gemeinschaftsschule Bruchwiese an und verursachen damit erhebliches Aufsehen bei den Medien und der Politik.
Verzweifelter Hilferuf
In dem Brief an das zuständige Ministerium mahnten die Pädagogen die besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn an. In dem vom Kollegium der Schule verfassten vier Seiten langen Schreiben beschreiben die Lehrer den aus ihrer Sicht unhaltbaren Schulalltag und resümieren, dass sie nicht in der Lage seien, objektiv Unmögliches zu leisten. Drogen- und Alkoholkonsum, Gewalt, Mobbing und übelste Beleidigungen gegen die Lehrkräfte sind an der Gemeinschaftsschule Bruchwiese augenscheinlich an der Tagesordnung. Zustände, die seinerzeit auch an der Berliner Rütlischule vorherrschten und welche im Jahr 2006 die Titelblätter der Zeitungen füllten.
Die Schilderungen gleichen sich und es ist anzunehmen, dass diese keine Ausnahmen darstellen, sondern ähnliche Verhältnisse an vielen Schulen in der Bundesrepublik bestehen. Bereits im Juni wurde der Brandbrief, den alle Lehrer der Schule unterschrieben, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) und der Schulleitung zugestellt, doch viel änderte sich im letzten halben Jahr anscheinend nicht. Der verzweifelte Hilferuf der Lehrer, in dem die zunehmende Gewaltbereitschaft der Schüler untereinander, aber auch die gegen die Lehrkräfte detailliert beschrieben wurden, fand erst jetzt mediales Echo und stößt eine neuerliche Diskussion zum Thema Bildungspolitik an.
„Problemschulen“ gibt es nahezu überall
Der Brief dokumentiert üble Beleidigungen und Beschimpfungen, denen die Lehrer ausgesetzt sind. Respekt oder wenigstens ein kooperatives Miteinander ist da nicht mehr spürbar, sondern lediglich ein ignorantes, aggressives Grundverhalten. Ein gesellschaftliches Problembild, was sich nicht nur an dieser Schule widerspiegelt, sondern in Teilen an anderen Schulen in sogenannten „Problembezirken“ oder an Schulen mit einem besonders hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund vorliegt. Hierbei liegt ein großer Teil des Hauptaugenmerks pädagogischer Maßnahmen dann auch darin, einen gewissen Eigenschutz zu bewahren, um das Verhalten gewaltbereiter Schüler nicht mit in den Privatbereich einfließen zu lassen.
Eine unsichtbare Grenze, die fließend ist und eigentlich nicht trennbar. Besonders Lehrerinnen sind von diesen verbalen, aggressiven Anfeindungen extrem betroffen und verspüren Ängste bestimmte Schülergruppen überhaupt noch zu unterrichten. Der Wortlaut der Bedrohungen und Verunglimpfungen aus dem Brandbrief soll an dieser Stelle nicht nochmals aufgeführt werden, jedoch sprechen die Aussagen dafür, dass so ein geregelter Unterrichtsablauf nicht mehr zu gewährleisten ist. Andere Beispiele sind die geschilderten Verhaltensauffälligkeiten während der Pausen, bei denen es offensichtlich immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist. Selbst die Polizei wurde aufgrund einer Prügelei unter Schülern der achten Klasse bereits zur Schule gerufen.
Einem anderen Schüler wurde vermutlich bei einer Schulhofrandale der Arm gebrochen. Selbst vor Bedrohungen mit Messern oder umfunktionierten Schlagwerkzeugen wird nicht zurückgeschreckt. Die Lehrer stehen der Gesamtsituation in vielen Bereichen verständlicherweise oft hilflos gegenüber. Wenn eine erhebliche Anzahl von Schülern zu spät kommt oder dem Unterricht ganz fernbleibt und weitere Schüler den Unterricht durch ihr Fehlverhalten derartig stören, dass ein „normales“ Lehren gar nicht mehr möglich ist, was bleibt dann? Nachweislicher Drogen- und Alkoholkonsum der Schüler verstärken diese Problematik.
Sonderpädagogischer Förderbedarf
Die Lehrer der Gemeinschaftsschule Bruchwiese sehen die Hauptverantwortlichkeit beim Bildungsministerium, welches die strikte sowie radikale Umsetzungsrichtlinie der Inklusion und die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung der Schüler zu verantworten habe. Ohne die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen seien Kinder zu unterrichten, von denen inzwischen etwa 86 Prozent nichtdeutscher Herkunft sind. Viele Schüler benötigten einen Förderbedarf auf sonderpädagogischer Ebene und einige in Bereichen der geistigen Entwicklung sowie der emotional, sozialpsychologischen Hilfestellung.
Die Auffassung der Lehrkräfte, dass die Zumutbarkeit bei der Durchführung pädagogischer Arbeit bereits deutlich überschritten wurde, ist in dem Brief klar definiert. Mit eindeutigen Forderungen bestehen die Lehrkräfte auf eine reell umzusetzende Inklusion, den Erhalt von Förderschulen und auf geeignete Maßnahmen seitens des Bildungsministeriums zur wirklichen Hilfe für die betroffenen Schüler. Angebot und Umfang von Schulsozialarbeit muss nach Ansicht der Pädagogen intensiviert werden und bereits mehrfach vom Regelunterricht ausgeschlossene Schüler müssen anderweitige Unterstützungen erhalten.
Reaktion der Politik
Etwa fünf Wochen nach dem Erhalt des Briefes reagierte die Politik und die zuständige Staatssekretärin Christine Streichert-Clivot (SPD) und weitere Mitarbeiter des saarländischen Bildungsministeriums trafen sich zu einem Erörterungsgespräch mit der Schulleitung. Bei der Diskussion wurde beschlossen, der Schule zunächst durch zusätzliche Lehrerstunden im Personalbereich zu helfen, um der besonderen Problematik Herr zu werden. Die Gewährung von Zusatzlehrstunden entsprach 4 Lehrerstellen und umfasste darüber hinaus ein Zusatzfördersegment von 60 Sprachstunden. Eine strukturelle Neuaufteilung der Klassen, Fortbildungsseminare und der Einsatz eines externen Konfliktlösers waren weitere Umsetzungspunkte. Das Bildungsministerium sicherte mit dem Beginn des neuen Jahres weitere Maßnahmen zu, welche der Lösung von Problemen an Schulen wie der Gemeinschaftsschule Bruchwiese entgegenwirken und diese systematisch entlasten.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
- wr.de: Lehrer beklagen in Brandbrief Gewalt und Respektlosigkeit
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