Zuletzt aktualisiert am 05.09.2024 um 12:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Für viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind Beleidigungen und Angriffe fast alltägliche Begleiterscheinungen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit. Eine neuerliche zweite Studie der Universität Gießen unter der Federführung der Kriminologin Professorin Britta Bannenberg bestätigt im Kern alte Erkenntnisse.
Beamtenbund beklagt mangelnde Unterstützung der Betroffenen
Die zweite Studie durch die Gießener Kriminologin wurde vom Landesverband Hessen des Deutschen Beamtenbundes (dbb) in Auftrag gegeben. Die am 23. Februar 2021 vorgestellten Analyseergebnisse überraschten wenig und zeigten auf, dass einige Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes besonders stark von Gewalt betroffen sind. Der Umfang derartig belastender Ereignisse während der Dienstzeit ist dabei äußerst vielschichtig und reicht von Beleidigungen, die in vielen Berufszweigen mittlerweile fast schon als „normal“ empfunden werden, über psychisch ausgeübten Terror, Bedrohungen bis hin zu handfesten gewalttätigen Angriffen oder sogar versuchten Tötungsdelikten. Laut der Studienverantwortlichen der Kriminologin Professorin Britta Bannenberg sind unter anderem Gerichtsvollzieher/- innen oder Beschäftigte bei den Jobcentern der Agentur für Arbeit immer wieder massiven Gewalttaten ausgesetzt.
Die besonderen Belastungen innerhalb der Arbeitsabläufe durch Aggressions- und Gewalteindrücke sollten nach der Einschätzung der Professorin intensive Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen für die Betroffenen erforderlich machen. Genau diese fehlenden Unterstützungen prangerte der hessische Landesvorsitzende des Beamtenbundes, Heini Schmitt, an und kritisierte in diesem Zusammenhang, dass die Beschäftigten nach zum Teil sehr verstörenden Gewalterlebnissen bei deren Verarbeitung allzu oft allein gelassen würden. Der Einfluss solcher traumatischen Erlebnisse wirke dabei noch lange nach, sodass viele der Opfer sich letztendlich mit dem Gedanken befassen würden, über einen Berufswechsel nachzudenken. Der dbb-Landeschef ergänzte, dass viele der Betroffenen die gegen sie verübten Taten gar nicht erst zur Anzeige bringen würden oder die Justiz bei der Abhandlung derartiger Fälle in der Gesamtheit zu inkonsequent agiere.
Lösungswege zur Problembewältigung
Die Studie hebt besondere Gefahrenpunkte explizit hervor. So würden im Einsatzbereich von Gerichtsvollziehern/- innen beispielsweise immer wieder eskalierende Situationen im Umgang mit sogenannten „Reichsbürgern“ entstehen, welche die staatlichen Organe der Bundesrepublik generell infrage stellen. Zusätzlich würden aus oftmals banal anmutenden Situationen ernsthafte Bedrohungsszenarien entstehen, etwa bei Zwangspfändungen, Räumungen oder auch Inobhutnahmen von vernachlässigten, schutzbedürftigen Kindern. Auch die Arbeitsagenturen seien nach Auswertung der Studie keine als sicher einzuschätzenden Tätigkeitsfelder. Beleidigungen vor allem gegen die weiblichen Beschäftigten seien an der Tagesordnung. Vermehrt fielen hier auch Taten wie Bedrohungen mit Messern oder sogar Schusswaffen, Angriffe mit anderen Gegenständen oder ein Zusperren des Büroraumes, also Freiheitsberaubungen auf. Viel Potenzial für Gewaltdelikte aller Art würden bei den Jobcentern besonders die Eingangs- und Wartezonen darstellen, so Auszüge der Studienanalyse.
Die erste Studie zur Thematik hatte die Kriminologin Professorin Bannenberg bereits im letzten Jahr erstellt, sodass die neue Erhebung als Ergänzung anzusehen ist. So haben auch andere Berufsgruppen des Landes Hessen wie Polizeibeamtinnen und Beamte oder Bedienstete des Justizvollzuges gravierende Gewalterfahrungen innerhalb ihrer Dienstausübung zu verzeichnen, wobei sich die Gegebenheiten in Hessen auch in nahezu alle anderen Bundesländer übertragen lassen könnten. Um besser auf die Problematiken reagieren zu können, sieht die Analyse spezifische Schulungen der Mitarbeiter/ – innen vor. Bereits während der Ausbildungsphase müsse mit entsprechenden Maßnahmen auf die möglichen Gefahrenpunkte eingegangen werden. Zusätzlich gehen es um die Bereitstellung einer angemessenen Schutzausrüstung, die Gewährleistung von durchdachten Notfallsystemen, einen zusätzlichen Schutz durch den Einsatz von Sicherheitspersonal sowie eine flächendeckende psychologische Betreuung für die Betroffenen.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema
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