Zuletzt aktualisiert am 30.08.2024 um 16:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 2-3 Minuten
Dürfen beamtete Lehrer für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen? 5000 Bedienstete waren im Juni 2015 dem Aufruf der GEW gefolgt und hatten während der Unterrichtszeit protestiert. Die hessische Landesregierung setzte ein Signal und ging gegen die Lehrkräfte vor, die für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt hatten. Jetzt stehen mehrere Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an. Denn einzelne Lehrkräfte haben ein Klageverfahren gegen die eingeleiteten Disziplinarverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet.
Protest und Vergeltung
Bei ihren Protesten im Juni forderte die GEW die Übertragung des Tarifergebnisses für Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf Beamte und damit die Senkung der Arbeitszeit von 42 auf 40 Stunden, sowie die Erhöhung der Bezüge um zwei Prozent. Die Antwort des Landes Hessen war unerwartet scharf. Das Ministerium ging gegen alle Streikenden mit Disziplinarmaßnahmen vor. Die eingeleiteten Verfahren können zu Verweisen führen. Ist erst einmal ein Eintrag in der Personalakte vermerkt, kann das im Wiederholungsfall gravierende Folgen für die Lehrkräfte haben. Streikende Beamte können außerdem von der Besetzung in Führungspositionen ausgeschlossen werden. Die GEW plant trotzdem weitere Protestaktionen.
Beamtenrecht
Lehrer im Angestelltenverhältnis dürfen natürlich von ihrem Streikrecht Gebrauch machen. Beamte müssen sich an das Beamtenrecht halten und das verwehrt den Staatsbediensteten die Möglichkeit, in den Ausstand zu treten. Streiken beamtete Lehrer, begehen sie grundsätzlich ein Dienstvergehen und müssen mit einer Disziplinarstrafe rechnen. Allerdings ist die rechtliche Situation nicht eindeutig.
Rechte und Gesetze
Ist ein Streik tatsächlich rechtswidrig? Die Juristen sind sich in dieser Frage noch uneinig.
Während die GEW die Ansicht vertritt, dass beamtete Lehrer durchaus ein Streikrecht besitzen, beharrt das Land Hessen auf einem Streikverbot. Und obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in besonderen Fällen Beamten ein Streikrecht einräumt, hat das Bundesverwaltungsgericht 2014 das Streikverbot bestätigt. Eine Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe darüber steht noch aus und wird im Sommer 2016 erwartet.
Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) haben Staatsbedienstete ein Recht auf Tarifverhandlungen und ein damit verbundenes Streikrecht. Nur Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und des Justizvollzugs, die im engen Sinne hoheitlich tätig sind, besitzen kein Streikrecht. Lehrkräfte an deutschen öffentlichen Schulen gehören nicht zur deutschen Staatsverwaltung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Das deutsche Verwaltungsgericht dagegen vertritt die Ansicht, dass nach deutschem Verfassungsrecht für alle Beamten, auch für diejenigen, die nicht in den Bereich der Hoheitsverwaltung fallen, ein generelles Streikverbot besteht. Es sei schließlich Sache des Dienstherrn, die Arbeitsbedingungen der Beamten festzulegen.
Das deutsche Recht enthält somit für Beamte, die nicht in der hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind, einen Widerspruch in Bezug auf Tarifverhandlungen.
Hessen hat mit dem Griff zum Disziplinarrecht einen heftigen Schritt gemacht. Das war nicht immer so. Hatten in der Vergangenheit Lehrkräfte ihre demokratischen Rechte wahrgenommen, war die Reaktion der Länder maßvoller. Befürchtet Hessen etwa, dass das staatliche Versorgungsprinzip auf den Kopf gestellt wird? Unbestritten ist, dass die Arbeitsbelastungen der Lehrkräfte bei gleich bleibenden Einkünften gestiegen sind. Dennoch sind die Nettobezüge beamteter Lehrkräfte immer noch deutlich höher als die der angestellten Kollegen/Kolleginnen. Lehrer sind heute mehr denn je gefragt. Schon deshalb wird der Staat das Alimentationsprinzip den Zeitverhältnissen anpassen müssen.
Weiterführende Quellen:
- fr.de: Bei Streik keine Beförderung
- sueddeutsche.de: Rabenvater Staat
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