Zuletzt aktualisiert am 30.08.2024 um 12:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Die hohe Kunst des „Spickens“ ist sicher so alt wie die Schultüte und ziemlich weit verbreitet. Mal ehrlich, wer hat noch nie in seinem Leben gespickt oder geschummelt? Abgekupfert? Unerlaubt das verwendet, was andere sich mühsam erdacht haben?
Motive
Die Gründe, weshalb Schüler versuchen zu täuschen, sind vielfältig. Manche haben Prüfungsangst und werden ruhig, wenn sie sich sicher sind, in der Not auf die eine oder andere Formel zurückgreifen zu können. Stress vor einer Blockade kann dadurch vielleicht gemindert und sogar ein Blackout vermieden werden. Die Nervosität, weil man sich Formeln, Vokabeln oder Geschichtszahlen einfach nicht merken kann, schwindet durch die Gewissheit, dass es eine Denkstütze gibt. Schüler und Studenten können sich sodann beim Lernen auf wesentliche Zusammenhänge konzentrieren. Oft werden mehrere Klausuren in kurzen Zeiträumen geschrieben. Dann ist der Prüfungsdruck so hoch, dass man sich unter Umständen nichts mehr merken kann. Ein unauffälliger Merkzettel kann bei Überlastungen die Anspannung herunterfahren. Natürlich gibt es auch andere Beweggründe, die Schüler und Studenten seit jeher erfinderisch gemacht haben. Manchmal ist es einfach nur Faulheit, Unlust oder minimalistisches Denken.
Spickmethoden
Das Angebot an Spickmethoden ist gigantisch. Es reicht von einem kleinen unauffälligen Zettel im Federmäppchen bis zu einer größeren Arbeit, die in der Toilette deponiert ist. Während unsere Großeltern noch zierliche Buchstaben auf feinstes Papier kritzelten und sie im Griffelkasten oder am Rechenschieber versteckten, ein winziges Buch in Kurzformat fast unleserlich klein auf Papierrollen schrieben, haben die modernen Prüflinge das Spektrum erstaunlich erweitert. Die Methoden sind aber stets ähnlich geblieben. Heute druckt man täuschend echte Etiketten von Trinkflaschen oder Schokoladenverpackungen aus, die gut getarnt brauchbare Informationen enthalten. Ein Tetrapak wird so manipuliert, dass man wie bei einem Adventskalender eine übergroße Tür aufklappen kann. Der Inhalt – ein Spickzettel. Der Deckel des Taschenrechners wird zur Informationsplattform, indem die Herstellerdaten einfach geschickt überklebt werden. Aufgeklebt, reingeschoben, hineingelegt, aufgedruckt — alles ist möglich.
Leistung
Manchen reicht einfach das Gefühl, etwas notiert zu haben und sie benutzen den Spicker gar nicht. Die eigentliche Leistung, die hinter einem minuziös angefertigten Spicker steckt, ist, dass man beim Schreiben das Wesentliche für eine Prüfung zusammenfasst, die wichtigsten Stichpunkte herausarbeiten und sich auf diese Art und Weise gut vorbereitet. Dahinter steckt ein Lerneffekt, der nicht zu unterschätzen ist. Der Spickzettel ist nämlich auf ein kleines Format begrenzt, sodass die Studierenden gezwungen werden, den Lernstoff auf die wesentlichen Aspekte zu reduzieren. Das Resultat ist, dass Zettel während der Prüfung eventuell gar nicht gebraucht werden. Lehrer raten ihren Schülern sogar, einen Merkzettel anzufertigen. Natürlich sollen sie ihn in der Prüfung nicht benutzen. Nichts einzuwenden ist gegen die Methode, sich eine Formel aufzuschreiben, sie noch vor Ausgabe der Klassenarbeit zu vernichten, und dann sofort auf dem leeren Arbeitsblatt zu notieren.
Risiko
Das Risiko erwischt zu werden hängt nicht nur davon ab, wie abgebrüht man ist. Kleine Zettel mit wenig Information sind vielleicht zu verzeihen. Dagegen ist ein Smartphone, das auf der Toilette deponiert ist, kein Kavaliersdelikt mehr. In allen Fällen aber ist der spickende Schüler damit beschäftigt, unentdeckt zu bleiben. Darunter leidet auch seine Konzentration. Wer also Angst hat, entdeckt zu werden, sollte lieber nicht schummeln.
Schüler wissen genau, bei welcher Aufsicht sie abschreiben oder schummeln können. Einer Aufsicht, die nebenbei mit Lesen oder der Korrektur von Klassenarbeiten beschäftigt ist, wird die eine oder andere Täuschung entgehen. Den Spickzettel auszupacken und zu studieren, wenn der Lehrer aufmerksam die Tischreihen abläuft und kontrolliert, kann kompliziert werden.
Rechtslage
Wird ein Schüler beim Spicken erwischt, muss geprüft werden, in welchem Umfang er sich einen Vorteil auf seine Leistung verschafft hat. Der Fachlehrer entscheidet, ob ein Notenabzug vorgenommen wird, oder er ordnet an, dass die Klassenarbeit noch einmal geschrieben wird. Ein Täuschungsversuch beim Abitur oder in der Universität kann dazu führen, dass der Absolvent von der Fortsetzung der Prüfung ausgeschlossen wird oder die Leistung mit nicht ausreichend bewertet wird. In schwerwiegenden Fällen kann ihm sogar die Teilnahme an weiteren Prüfungen untersagt werden.
Es ist unter Umständen eine riesige Leistung, ein kleines Buch in Kurzformat auf einen winzigen Zettel zu schreiben und dann noch heimlich nachzuschauen, ohne erwischt zu werden. Das Kunstwerk, das vielleicht zu besseren Noten führt, birgt allerdings auch das Risiko erwischt zu werden. Die wahre Kunst besteht darin, ein 100 Seiten umfassendes Skript so zusammenzufassen, dass es auf ein DinA4 Blatt passt. Auf diese Weise ist der Prüfling in jedem Fall gut vorbereitet. Und daran ist wirklich nichts Verwerfliches.
Weiterführende Quellen:
- spiegel.de: Prüfungen: Ich spicke, also lerne ich
- lehrerfreund.de: Spicken und Schummeln
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