Zuletzt aktualisiert am 30.08.2024 um 8:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 4-5 Minuten
Lehrer zählen zu den seltenen Berufsgruppen, mit denen man sich mindestens einmal im Leben über längere Zeit auseinandersetzen muss. Anwälten oder Ärzten kann man irgendwie noch aus dem Wege gehen, Pädagogen dagegen sind Pflicht. Nach einer mehr oder weniger erfolgreichen Schulkarriere, die die Bahnen für die freie Berufswahl mitbestimmt hat, steht bei den meisten Erwachsenen die Familienplanung an. Und spätestens bei der Einschulung des ersten Kindes werden alte Erinnerungen aus vergangenen Zeiten wieder wach. Das nicht immer angstfreie Bild des Lehrers, das sich tief ins Bewusstsein eingegraben hat, ist plötzlich wieder gegenwärtig. Die eigenen Erfahrungen begleiten das Kind bis zur Schulpforte, wo die eine oder andere Befangenheit unter den besorgten Eltern ausgetauscht wird.
Das nicht ganz vorurteilsfreie Bild vom Lehrer
Das alte Klischee der Pädagogen, die mindestens drei Monate Ferien im Jahr haben und nachmittags aus Langeweile an ihrem Reihenhäuschen weiterbasteln, ist noch lange nicht tot.
Das, was ein Lehrer unterrichtet, ist offenbar das Produkt seiner Leidenschaften — wie etwa die Fremdsprache Englisch — und wird im Unterricht einfach nur ausgelebt. Je nach Laune des Lehrers läuft der Unterricht gut und die Schüler lernen mehr oder weniger dazu. Das größte Wissen muss sich der Schüler ohnehin selbst beibringen, weil die meisten Lehrer nicht erklären können. Deshalb gibt es ja die Hausaufgaben. Die Klassenarbeiten sind jedes Jahr annähernd gleich. Hin und wieder werden ein paar Zahlen oder Begrifflichkeiten ausgetauscht, damit es spannend bleibt. Weil die Schüler wissen, dass sich Lehrer keine besondere Mühe machen, bereiten sie sich lediglich anhand der Altklausuren ihrer Mitschüler auf Prüfungen vor. Um dem viel gehassten Frontalunterricht wenigstens gelegentlich zu entkommen, hat das Kultusministerium die Präsentationspflicht für Schüler ins Leben gerufen — damit Eltern zusammen mit ihren Sprösslingen endlich einmal interessante Themen planen und die Macher sie alsdann mittels elektronischer Medien oder aufwendig gestalteter Plakate gut verständlich und ansprechend vortragen dürfen. Am Feierabend im heimischen Arbeitszimmer, schlägt der Lehrer nach einem guten Tropfen Wein das Notenbuch auf, um je nach Stimmung einen Vermerk zu machen. Beschwingte Mathematiker greifen zum Würfel, den Physikern genügt das Zufallsprinzip, die anderen vergeben die Zensuren ganz simpel nach Sympathie. Bei den Halbjahresnoten lassen sie aufgestauten Frust auf Schüler, denen man eh nichts beibringen kann, in Form von „nicht ausreichenden“ Noten los und stufen sie als versetzungsgefährdet ein. Höhepunkt der Veranstaltungsreihe ist der Elternsprechtag. Mit ernsthafter Geste wird mit den Verantwortlichen für das schulische Dilemma abgerechnet. Der Lehrkörper kann endlich wieder seine tragende und pädagogisch verantwortliche Rolle ausleben. In Selbstlob schwelgend saugt der Unbarmherzige das Lob der unterwürfigen Elternschaft auf, die ihn mit kleinen Geschenken bei Laune zu halten versuchen — verbunden mit der Hoffnung, dass er sich bis zum Schuljahresende wenigstens den Namen ihres Kindes richtig merken kann.
Das erwartet man von einem Lehrer
Lehrer entscheiden sich für dieses Berufsbild, weil sie gerne mit jungen Menschen zusammenarbeiten und mit Begeisterung Kinder und Jugendliche an Lernprozessen heranführen möchten. Sie sind redegewandt, besitzen eine ausgeprägte Fähigkeit zu argumentieren und haben eine hohe fachliche Qualifikation in den studierten Fächern. Fundiertes Wissen reicht allerdings nicht aus. Auf jeden Fall müssen sie gut erklären können. Das heißt, komplizierte Sachverhalte werden auf eine verständliche Ebene transportiert, die jeden Schüler erreicht — auch den schwächsten. Hierfür ist eine intensive Unterrichtsvorbereitung Grundvoraussetzung. Der Einsatz verschiedener Medien und Unterrichtsmethoden ist dabei ganz wichtig, um die Lernprozesse so interessant zu gestalten, dass die Schüler lebendig und interessiert die Stunden mitgestalten. Die Interaktion mit den Schülern verlangt dem Pädagogen eine immense Konzentration und geistige Beweglichkeit ab. Eine hohe psychische Belastbarkeit ist erforderlich, um die Wünsche von Schülern, Eltern und des Schulteams gegenseitig abzuwägen. Dabei ist es nicht immer einfach, mit Rückschlägen und Kritik professionell umzugehen und sie offensiv zu verarbeiten. Ein volles Deputat an einem Gymnasium umfasst 25 Wochenstunden. Dazu kommen die Organisation und Durchführung von Klassenfahrten, Ausflügen, Veranstaltungen, Schulfesten und Elternabenden. Es wird erwartet, dass im Laufe des Schuljahres der Lehrplan des Kultusministeriums und schulinterne Curricula erfüllt werden. Regelmäßig werden Klassenarbeiten alleine oder im Team erstellt und müssen korrigiert werden. Die Notengebung sollte gerecht und stets transparent und nachvollziehbar sein. Das heißt, ein Lehrer muss jederzeit begründen können, wann und wie eine Note zustande gekommen ist.
Vertretungsstunden, Aufsichten und Konferenzen runden das Programm ab. Fortbildungsveranstaltungen in den unterrichtsfreien Zeiten sind besonders beliebt.
Die Bildungsplanreformen katapultieren die Schulen in Phasen der Selbst- und Fremdevaluation, experimentieren mit neuen Bildungsstandards und lassen Lehrer und Schüler noch mehr Zeit an der Schule verbringen. Der Unterricht befindet sich in einer permanenten Entwicklungsphase und muss am Ende noch auf die Bedürfnisse der zu unterrichtenden Gruppe angepasst werden. Darüber hinaus sollten Lehrer stets ein offenes Ohr für die Nöte der Schüler haben. Offen und einfühlsam, respektvoll und freundlich sind sie jederzeit um eine angenehme Lernatmosphäre bemüht. Konflikte in der Klasse werden mit psychologischem Gespür und Gesprächen auf Augenhöhe gelöst. Allerdings sind die Tricks der Schüler im Laufe der Zeit immer besser geworden. Handys im täuschend echten Taschenrechnerdesign mit Megapixelkameras können Videos aufzeichnen und wiedergeben. Kinder dürfen nie vor der Klasse bloßgestellt werden! In Einzelgesprächen nach dem Unterricht gehen Lehrer intensiv auf die Problematik des Kindes ein. Dabei ist es sinnvoll, auch das Gespräch mit den Eltern zu suchen. Auf Lehrerbewertungsportalen bewerten Teenager gemeinsam Lehrer und „netzwerken“ miteinander.
Lehrer müssen sich heute der Doppelaufgabe von Bildung und Erziehung stellen. Die Vielfalt ihrer Aufgaben ist zeitraubend und ist eine große Herausforderung. Für den Berufsanfänger heißt das, seinen Einsatz möglichst gut zu strukturieren, die physischen und psychischen Kräfte zu bündeln und bereit zu sein, sich stetig weiterzuentwickeln. Eine Megaaufgabe!
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