Zuletzt aktualisiert am 02.10.2024 um 16:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Das neue Schuljahr ist gerade einige Wochen alt, da beklagen die hessischen Lehrkräfte eine kaum mehr tragbare Situation und Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnen die erheblichen Missstände an den Schulen des Landes an.
Kultusministerium beschönigt die Situation
Wie vielerorts im gesamten Bundesgebiet sind auch in Hessen besonders die Grundschulen vom Lehrermangel betroffen. Die Bundesvorsitzende der GEW, Marlies Tepe, sowie auch die GEW-Vorsitzende der Stadt Frankfurt hatten bereits Ende August auf die schwierige Lage, besonders in den Großstädten hingewiesen. Viele Stellen im Bereich Grundschullehramt konnten nur mit Quer- und Seiteneinsteigern besetzt werden. Immer häufiger werden befristete Vertretungsverträge mit Studenten abgeschlossen, die über keine entsprechenden Abschlüsse verfügen. Die angestrebten Bildungskonzeptionen im Rahmen der Ganztagsschulen und der Inklusion, die schlechten Lern- und Unterrichtsbedingungen und die Doppelbelastung vieler Lehrer bei der Unterstützung von neuen, berufsfremden Kräften sind nur einige Brennpunkte.
Die Gewerkschaftsvertreter forderten in öffentlichen Stellungnahmen das hessische Kultusministerium auf, vernünftige Lösungen zu schaffen, anstatt die Lage an den Schulen zu beschönigen. Noch zu Beginn des neuen Schuljahres hatte Kultusminister Alexander Lorz (CDU) die Gesamtsituation an den hessischen Schulen gelobt und sprach von einer beispielhaft guten Ausstattung und Stellenbesetzung. Hervorzuheben sei besonders der gute Ausbau bei den Ganztagsschulen, so Lorz. Der bildungspolitische Sprecher der CDU, Armin Schwarz, ging sogar noch einen Schritt weiter und sprach von neuen „Rekordwerten“. Noch nie in der Geschichte des Landes Hessens hätten die Schulen so gut dagestanden, so der CDU-Politiker und wies auf den höchsten Bildungsetat, die umfangreichsten Stellenbesetzungen für Lehrkräfte und das größte Volumen an Unterrichtsstunden in der Historie des Landes hin.
Kontroverse Diskussion
Gerade mit diesen Aussagen, angesichts einer sich völlig anders darstellenden Gesamtsituation, machte sich Schwarz nicht nur Freunde. Die Freien Demokraten im Hessischen Landtag sprachen von einer völlig verfehlten Bildungspolitik und einer Art „Sommermärchen“ aus dem Kultusministerium. Die GEW sieht in der kontroversen Diskussion die Landesregierung in der Pflicht, die trotz steigender Geburtenraten und immer mehr Schülern, es versäumt habe, ausreichenden, qualifizierten Lehrernachwuchs auszubilden. Selbst an Schulen, die formal alle Lehrerstellen besetzen konnten, gäbe es kein Reservoir für Not- und Ausfälle wie beispielsweise Elternzeit oder längere Erkrankungen. Die Gewerkschaft stehe der Einstellung von Quer- und Seiteneinsteigern grundsätzlich positiv gegenüber, doch müssen eine intensive pädagogische Ausbildung und eine verlässliche Vertragsanstellung erfolgen.
In der realen Situation des Schulalltages kann es dazu kommen, dass plötzlich eine unausgebildete Studentin allein eine Klasse übernehmen muss. Die GEW sieht die Grenzen der Belastbarkeit für die Lehrkräfte in allen Schulsystemen erreicht. Die Gründe hierfür lassen sich klar belegen. Eine stetig ansteigende Zahl von Anzeigen und Hilferufen der Lehrkräfte im Bereich der Überlastungen, der Krankheitsmeldungen, von „Burn-Out-Fällen“ und Frühpensionierungen. Hinzu kommt der immer größer werdende Umfang des Arbeitsfeldes, für den meistens keine Ausbildung vorliegt. Verwaltungsaufwand, inklusiver Unterricht, logopädischer Unterricht, Umgang mit spezifisch zu fördernden Kindern, psychologische Betreuung und Elternarbeit sind nur einige Bereiche, die eine Lehrkraft abdecken muss.
Die GEW pocht auf Entlastungen für die Lehrer. Nach Angaben aus dem Kultusministerium sind aktuell rund 4.500 Lehrkräfte ohne eine entsprechende Lehramtsausbildung an den hessischen Schulen tätig. Dieses schaffe nach Ansicht der Gewerkschaften nur einen kurzfristig positiven Effekt hinsichtlich der zu besetzenden Stellen, ergäbe aber langfristig weitere Problematiken. Hinzu kommt der eklatante Investitionsstau an den hessischen Schulen. Viele Einrichtungen und Gebäude müssen dringend saniert werden. Moderne pädagogische Anforderungen und Unterrichtsformen benötigen umgehend moderne, zweckmäßige Räumlichkeiten, so die GEW-Bundesvorsitzende. In diesem Zusammenhang hat die Gewerkschaft zu einer Demonstration am 22. September in Kassel und Frankfurt aufgerufen. Die „Bildungsdemo“ fordert ein 500 Millionen Euro Sofortprogramm und bessere Bedingungen.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
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