Zuletzt aktualisiert am 03.09.2024 um 4:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Lehramtskandidaten in den Fächern Englisch, Französisch und Spanisch haben es künftig leichter. Das Latinum als Studienvoraussetzung wurde in einigen Bundesländern wie Bayern und Niedersachsen abgeschafft – zuletzt in Nordrhein-Westfalen. Verabschieden wir uns damit endgültig vom Schul- und Studienfach Latein?
Reduzierte Anforderungen
Auch in anderen Fächern wie Geschichte und Philosophie wurden mit Beschluss der Kultusministerkonferenz die Anforderungen gesenkt. Kenntnisse des kleinen Latinums genügen, das Große ist nicht mehr erforderlich. Nur noch für angehende Latein — und Griechischlehrer. Ob es Erleichterungen für Religion gibt, liegt in der Hand der Kirchen. Auch müssen sich die Universitäten nicht zwingend an die Reformen halten. Sie können weiter das Latinum als Studienvoraussetzung festlegen.
Entlastung für Lehrer moderner Sprachen
Die Neuerungen des Lehrerausbildungsgesetzes in Latein werden sehr unterschiedlich diskutiert. Für die einen ist Latein eine tote Sprache, für die anderen ist sie ein wesentlicher Bestand der Bildung. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW befürwortet die Revision an den Hochschulen. Sie sieht im Latinum ein Selektionsmittel und eine Benachteiligung für Bewerber ohne Lateinkenntnisse. Gegner der neuen Lehramtszugangsverordnung weisen darauf hin, dass Latein ein fundamentales Verständnis für romanische Sprachen vermittle. Sowohl der Philologenverband als auch der Deutsche Altphilologenverband kritisieren, dass Latein mit den veränderten Zulassungsbestimmungen an Bedeutung verliere. Sie sehen darin eine Bedrohung der deutschen Kultur. Altphilologen wähnen sogar das Schulfach Latein in Gefahr.
Regelstudienzeit — Belastung Latein
Den Stein ins Rollen gebracht hat eine Online-Petition des AStAs der Uni Bochum. Er forderte die Abschaffung der Latinums-Pflicht. Weil diese Leistung zusätzlich absolviert werden muss, verzögere sich der Abschluss bei einigen Studenten, was sich nachteilig auf ihre Bafög-Ansprüche auswirke. Manche würden deshalb sogar ihr Studium abbrechen.
Wer in der Schule kein Latein gelernt hat, muss die Kenntnisse gezwungenermaßen an der Uni nachholen. Je nach Fach hat man für den Nachweis mehrere Semester Zeit. Die Universitäten bieten Studierenden ohne Lateinerfahrung kostenlose Kurse an. In der Regel benötigen Studenten für das Große Latinum mindestens drei Semester. Alternativ bieten einige Hochschulen Intensivkurse in den Semesterferien an. Doch wer zwängt sich gerne in hoffnungslos überfüllte Hörsäle? In den Universitätsstädten haben sich zu diesem Zweck private Institute spezialisiert. Das Nachholen ist ein enormer Zeit- und Kostenaufwand und angesichts der aktuellen Lehrersituation in Deutschland wenig sinnvoll.
Ist die Allgemeinbildung in Gefahr?
Latein wird heute noch an vielen Gymnasien unterrichtet. Die Schriftsprache fördert das sprachlogische Denken und vermittelt ein fundamentales grammatikalisches Verständnis. Sie bietet einen beachtlichen Fremdwortschatz und Kenntnisse im Bereich der Fachterminologie, Geschichte und Mythologie. Latein wird als wesentliche Grundlage von Wissenschaften und Kultur betrachtet und gehörte bislang zu einer guten Allgemeinbildung.
Allgemeinbildung besteht aber nicht nur aus dem Erwerb grammatischer Strukturen. Business-Englisch, Einblicke in die Finanzwelt und der Umgang mit digitalen Medien sind von ebenso großer Wichtigkeit.
Noch geht es nicht um die Abschaffung des Latinums oder des Unterrichtsfaches Latein an den Gymnasien. Es wurden lediglich die Studienvoraussetzungen für angehende Lehrer verändert. Dass Latein von Vorteil ist, wenn es um ein ernsthaftes wissenschaftliches Studium moderner Sprachen geht, ist begreiflich. Allerdings verbringen zahlreiche Schülerinnen und Schüler heutzutage einen längeren Zeitraum im Ausland, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Ein gutes Sprachgefühl, das im Lateinunterricht vermittelt werden soll, können Studierende auch mit einer lebenden Fremdsprache bekommen.
Zwei Welten treffen in der deutschen Bildungsdebatte aufeinander, die Schüler und Studenten auf Beruf und Karriere besser vorbereiten wollen. Wie hättet Ihr es also gerne? Theoretisch oder praktisch?
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
- wn.de: Lehrer in spe können aufatmen
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