Wann soll morgens die Schule beginnen? Lehrer, Forscher, Experten, Eltern und Schüler haben bei diesem Thema alle ihre persönliche Sicht der Dinge. Um spezifische Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und mehr individuelle Flexibilität für einen gelungenen Schulbeginn zu erreichen, testet man an hessischen Schulen nun einige Modelle, die nach den ersten Erfahrungsberichten positive Auswirkungen zeigen.
Erarbeitete Konzeptionen
550 Schüler gibt es an der nordhessischen Kasseler Reformschule. Verschiedene Lehrkräfte erarbeiteten hier ein eigenständiges Konzept für einen flexiblen Schulbeginn. Grundsätzlich fängt der Schulunterricht hier an vier Tagen in der Woche erst um 8.35 Uhr an und dennoch kann man auch schon vorher viele Schüler innerhalb der Schule beobachten. Wie die Schüler die Zeit vor dem eigentlichen Unterrichtsbeginn nutzen, bleibt ihnen überlassen. Die Konzeption bietet neben einem etwas längeren Schlafen oder ausgiebigen Frühstücken auch Förderkurse oder die Nutzung die Nutzung der Kantine zum Lernen oder Spielen.
Morgens findet „freies Üben“ statt, wobei Schüler aus verschiedenen Klassenverbänden bereits ab 8 Uhr freiwillig in unterschiedlichen Bereichen lernen. Für Nachzügler bleibt dann das Klassenzimmer geschlossen, damit es keine ständigen Störungen gibt. Egal, für welches Angebot sich die Schüler entscheiden, der Start in den Schulalltag findet immer unter Aufsicht einer Lehrkraft statt. Am Anfang war die Skepsis gegenüber dem neuen Modell innerhalb des Lehrerkollegiums recht groß, da man nicht davon ausging, dass viele Schüler überhaupt vor dem eigentlichen Schulbeginn erscheinen würden, doch die positive Annahme des Konzeptes überzeugte.
Grundsätzlich möchte man an der Kasseler Reformschule das „offene Anfangsmodell“ beibehalten, auch wenn es sich zunächst nur um einen Versuch handelte und die endgültige Auswertung dieses Projektes noch nicht abgeschlossen ist. Dennoch sind sich viele der Mitwirkenden einig, dass der Start in den Schultag wesentlich entspannter sei. Man habe feststellen können, dass viel weniger Schüler zu spät zur Schule kommen und dass die Selbstständigkeit der Schüler durch die Maßnahme gestärkt wurde.
Von anderen lernen
Ein weiteres Modell, welches ursprünglich aus den Niederlanden stammt, wird an der Alexej von Jawlensky Schule in Wiesbaden angewendet. Der Unterricht beginnt hier regulär erst um 8.30 Uhr. Grund hierfür ist unter anderem der unterschiedliche Biorhythmus der Schüler. Während Mädchen innerhalb der Pubertät auch schon oft früh morgens wach sind, fällt es Jungen deutlich schwerer aufzustehen. Durch die spätere Anfangszeit des Unterrichtes haben beide Gruppierungen die Möglichkeit individueller und ausgeglichener in den Schultag zu gelangen. Benötigte Förderunterrichtsmaßnahmen wickelt die Ganztagsschule dafür morgens ab 7.45 Uhr ab.
Flexible Anwendungs- und Lösungswege finden bedeutet auch von anderen lernen. Hierbei gilt es, Forschungsergebnisse und Lernprozesse zu integrieren. Ein Blick über den Tellerrand ins europäische Ausland kann auch hier förderlich sein, betrachtet man beispielsweise die Lehransätze im Bereich der PISA-Studie und anderen Untersuchungen. Forscher aus Großbritannien und auch der deutsche Chronobiologie Horst-Werner Korf vom Düsseldorfer Institut für Anatomie sind der Auffassung, dass sich nach dem pubertären Prozess beim Menschen sogenannte Chronotypen entwickeln. Diese zeigen auf, dass besonders männliche Probanden morgens nicht besonders leistungsfähig sind.
Horst-Werner Korf sieht im Umsetzen des späteren oder bedarfsweise unterschiedlichen Schulbeginns einen ersten Schritt zum Positiven. Entsprechende Konzepte oder zu testen und umzusetzen, ist vielerorts kaum problematisch. Der hessische Sprecher des Kultusministeriums, Stefan Löwer (CDU), bestätigte, dass es keine zentrale Regelung zum Schulbeginn an den Schulen in Hessen gäbe. So lange die Schüler einer Betreuung unterliegen, können die Schulen eigenständig über den Unterrichtsbeginn entscheiden, so Löwer.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
- news4teachers – Selbst entscheiden, wann die Schule startet – Schulen berichten vom „offenen Anfang“