Zuletzt aktualisiert am 07.02.2025 um 7:54 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Die neuen Lehrer sind da. Niemals zuvor wurden so viele Lehrkräftestellen durch sogenannte Quereinsteiger besetzt. Ganz gleich, ob ehemalige Ingenieure, Flugbegleiter oder Polizisten, nun unterrichten sie in den Klassenzimmern der Republik.
Kultusministerkonferenz voll des Lobes
Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz und zugleich baden-württembergische Bildungsministerin, Susanne Eisenmann (CDU), zieht aus der derzeitigen Entwicklung hinsichtlich der beruflichen Quereinsteiger eine durchweg positive Bilanz. Aus ihrer Sicht sei es ein richtiges und gutes Signal, dass die Schulen auf den Lehrkräftemangel reagieren. Eisenmann machte deutlich, dass die Quereinsteiger keine „Lückenbüßer“ seien. In Baden-Württemberg werden Quereinsteiger vor allem von Berufsschulen eingestellt, wo sie nach Aussage der Bildungsministerin praxisorientierte Sichtweisen und wertvolle berufliche Erfahrungen in den Unterricht mit einbringen.
Viel Lob gab es auch von Seiten der Berliner Bildungssenatorin, Sandra Scheeres (SPD). In Berlin sei die Situation an den Schulen dramatisch gewesen und das Land habe bereits 35 Prozent der dringend benötigten Lehrkräfte aus anderen Bundesländern eingestellt, aber auch diese Möglichkeiten seien irgendwann erschöpft gewesen, erklärte Scheeres. Deshalb greift die Bildungssenatorin lieber auf die Alternative hinsichtlich der Quereinsteiger zurück, bevor weiterer Unterricht ausfalle oder die anderen Lehrkräfte erhebliche Mehrarbeit leisten müssten. Zusätzlich plädierte Scheeres für ein deutschlandweites Onlineportal, um zur Verfügung stehende Lehrkräfte und offene Stellen besser koordinieren zu können. In Berlin waren kürzlich noch rund 2000 freie Lehrerstellen zu besetzen, was mit dem Beginn des neuen Schuljahres allerdings noch erfolgen konnte. Etwa 40 Prozent der neuen Lehrer sind hier Quereinsteiger.
Der Wechsel in das Lehreramt
Beispiele für den klassischen Quereinsteiger und den Wechsel in das neue Dasein als Lehrer gibt es genügend. Der ehemalige Flugbegleiter der Air Berlin, Aness Yacoubi hat in der neuen Aufgabe seinen Traumberuf gefunden. Der Sohn tunesischer Einwanderer absolvierte bereits vor seiner Tätigkeit als Flugbegleiter ein Studium in Französisch und Arabisch. Nun unterrichtet Yacoubi an der Nibelungen-Realschule in Braunschweig Französisch und Englisch. Nach einem parallel zur Schule laufenden 18-monatigen Seminar mit den Schwerpunkten Pädagogik und Didaktik holte er das Fachstudium für Englisch an der Universität nach. Die Motivation sich als Lehrer zu bewerben, bezog Aness Yacoubi aus der Freude, Kindern eine Sprache zu vermitteln, die er beherrscht. Sollte die Entwicklung weiter in geregelten Bahnen verlaufen, besteht für Yacoubi in vier Jahren die Möglichkeit verbeamtet zu werden.
Bei einem Großunternehmen hatte die Maschinenbauingenieurin Ute Jutt viele Jahre lang gearbeitet, bevor die 40-jährige, zweifache Mutter sich entschied, beruflich neu durchzustarten. Sie wagte den Schritt und unterrichtete zunächst Physik an einer Realschule in Rheinland-Pfalz und wechselte dann zu einer Berufsschule in Baden-Württemberg. Möglich wurde der Neustart durch zweimal in der Woche stattfindende Fortbildungsschulungen in Pädagogik und Schulrecht. Nach eigener Aussage hätte Jutt sich nicht träumen lassen, dass Schule so viel Spaß bereiten kann, und ist mittlerweile Beamtin.
Chancen und Weichenstellungen
Die Quereinsteiger kommen aus allen gesellschaftlichen Bereichen und helfen so, zumindest kurzfristig, entstandenen Lehrermangel und vorhandene Lücken zu schließen. Zu Beginn des neuen Schuljahres waren bundesweit rund 16.500 neue Stellen zu besetzen, von denen 3224 eingestellt wurden, die keine klassische Lehrerausbildung durchlaufen haben. Niemals zuvor gab es eine höhere Anzahl von Quereinsteigern. Die meisten begannen hierbei mit 1247 Stellen in der Bundeshauptstadt ihr neues Tätigkeitsfeld. Es folgten Sachsen mit 750 und Nordrhein-Westfalen mit 550 „Neulehrern“ aus vorherigen anderen Berufszweigen. Nach wie vor besteht allerdings Lehrermangel, besonders an den Grundschulen.
Auch für die Fächer Mathematik und Naturwissenschaften lässt sich nicht genügend Personal finden. Dafür gibt es gerade im Süden der Bundesrepublik einen Überschuss an Gymnasiallehrern mit den Fachkombinationen Deutsch und Sport. Viele Experten weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, eine höhere Anzahl an qualifizierten Lehrern in den benötigten Fachkombinationen und im Besonderen auch Grundschullehrer auszubilden. Für eine fortschrittliche und zukunftssichere Bildungsversorgung sei eine jetzige Weichenstellung in diesem Bereich unabdingbar.
Nicht jeder sieht die hohe Anzahl an Quereinsteigern für das Lehramt als vorbehaltlose Perspektive. Kritik kam hier vor allem vom Vorsitzenden des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, der besonders die Situation in Berlin als unhaltbar ansieht. Die hausgemachten Probleme und Größenordnungen der Stellenbesetzungen durch Quereinsteiger stellen nach Ansicht Meidingers eine Gefährdung der Qualität an den Schulen dar. Der Lehrerverbandsvorsitzende, selbst Gymnasiallehrer in Regensburg, äußerte Bedenken, ob einige berufsbegleitende Kurse eine fundierte Lehrerausbildung ersetzen können.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
- Focus.de: Achtung, die neuen Lehrer kommen
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