Zuletzt aktualisiert am 09.10.2024 um 20:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 3-4 Minuten
Nach einer neuen Studie der Bertelsmannstiftung, welche die Analysen der letzten Jahre bestätigen, werden in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2025 etwa 35.000 Lehrkräfte allein an den Grundschulen fehlen. In Folge der nochmals dramatisch angestiegenen Prognose zum Lehrermangel werfen viele Experten der Politik ein Versagen auf dem Bildungssektor vor und diskutieren Ergebnisse sowie unterbreiten Verbesserungsmöglichkeiten.
Regelunterricht an den Grundschulen kaum noch zu leisten
Die neuen Analyseergebnisse der Bertelsmannstiftung, durchgeführt von den Bildungsforschern Klaus Klemm und Dirk Zorn basiert auf den Prognosen der Studien, die bereits im letzten Jahr durchgeführt wurden und beinhaltet zudem neue Berechnungen. Die Experten gehen davon aus, dass allein bis zum Jahr 2025 rund 35.000 Lehrer für die Grundschulen benötigt werden, um den steigenden Schülerzahlen gerecht zu werden. Die Auswirkungen betreffen zunächst primär die Grundschulen, da der Schülerboom sich an den weiterführenden Schulen erst etwa 25 Jahre später, also zur Mitte des Jahrhunderts bemerkbar machen wird.
Hauptgrund ist die hohe Anzahl der bereits jetzt fehlenden Grundschullehrer und die Zahl der Lehrer, die bis zum Berechnungszeitraum in den Ruhestand gehen werden. Die Forscher gehen hier von 60.000 Pädagogen aus. Neben den bereits aktuellen Problemen gilt es nach Ansicht der Experten, dem Zeitraum von 2021 bis 2025 hinsichtlich der Personalstruktur ein besonderes Hauptaugenmerk zu widmen. Eine Diskrepanz liegt darin, dass die Universitäten in den zugrunde gelegten Jahren nur 70.000 Lehrer ausbilden können, obgleich 105.000 neue Pädagogen eingestellt werden müssten. Folgt man den bildungspolitischen Beschlüssen, werden für den Ganztagsschulbetrieb weitere 19.000 Lehrkräfte benötigt.
Aktuell ist es vielerorts kaum noch möglich einen regelkonformen Grundschulunterricht zu gewährleisten, da nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) der Lehrermangel hier die größten Folgen hat und immer noch 2000 Stellen unbesetzt sind. Jörg Dräger, Verantwortlicher im Vorstand der Bertelsmann Stiftung mahnte in diesem Zusammenhang an, dass es vor dem Hintergrund dieser Situation nicht Sinn und Zweck sein kein, wenn die Bundesländer sich gegenseitig dabei übertreffen, Lehrkräfte abzuwerben. Dräger sieht bei den Beteiligten eine hohe Verantwortung in der gemeinsamen Suche nach Problemlösungen. Es sei wichtig den Bedarf an Lehrern zu decken, ohne auf Qualität zu verzichten, denn schließlich ist die Durchführung eines guten Unterrichtes nur mit entsprechend gut geschultem Personal möglich.
Das Versagen der Politik
Betrachtet man die weitere Entwicklung, so gehen die Forscher Klemm und Zorn aufgrund der Bevölkerungsstruktur von einer Entspannung der Situation ab dem Jahr 2025 aus. Dennoch sind dann noch die Punkte im Bereich Fachlehrkräfte und weiterführende Schulen zu beachten. Einen Weg, die Gesamtlage bei den Grundschulen etwas zu entzerren, sehen die Experten darin, den weiblichen Lehrkräften, die zu 40 Prozent in Teilzeitbeschäftigung arbeiten, entsprechende Anreize für Mehrarbeit oder Vollzeitbeschäftigungen zu offerieren. Auch das Aufschieben von Ruheständen kann zeitweise Entlastung bringen. Eine genaue Einschätzung dieser Maßnahmen lassen die Bildungsforscher offen, da es sich um rein „freiwillige“ Zusagen handeln würde.
Als bereits durchgeführte und weiterhin unabdingbare Maßnahme ist das Einsetzen von Quer- und Seiteneinsteigern anzusehen. Die Experten plädieren hierbei auf den Verzicht des Grundschulstudiums als Voraussetzung und raten an wesentlich flexiblere Bedingungen zu schaffen, um in den Lehrerberuf eintreten zu können. Das Erreichen bundeseinheitlicher Standards zur Qualifizierung von Seiten- und Quereinsteigern muss hierbei Priorität haben und sollte nicht im Widerspruch zum Erbringen einer pädagogischen Qualität stehen. Erforderlich ist eine konsequente, berufsbegleitende Betreuung durch erfahrene Kollegen, die hierfür auch entsprechende Zeiten zur Verfügung gestellt bekommen.
Der Verband Erziehung und Wissenschaft (VEB) warf der Politik indessen ein bildungspolitisches Versagen und schwere Versäumnisse vor. Der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann kommentierte die Studie damit, dass es ein regelrechtes Armutszeugnis für die Politik sei, wenn eine Stiftung bildungsrelevante Bedarfsprognosen erstelle, welches eigentlich dem grundsätzlichen Aufgabenbereich der politisch Verantwortlichen obliegen müsste. Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft drängte zu einem sofortigen Handeln und einer schnellstmöglichen Diskussion über Sofortmaßnahmen, selbst wenn diese auf absehbare Zeit nur als Notlösungen betrachtet werden könnten.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
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