Zuletzt aktualisiert am 12.10.2024 um 8:52 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 2-3 Minuten
Jahrzehntelang fochten Linke, Bürgerliche und Konservative einen heftigen Kampf um das passende Schulsystem für die Bundesrepublik. Zwischenzeitlich beruhigte sich die Lage und die verschiedenen politischen Flügel gaben sich moderat und kompromissbereit. Doch hinter der Fassade glimmt altes Konfliktpotenzial wieder auf. Bei der Frage um den „Einheitslehrer“ scheiden sich die Geister und die grotesk anmutenden Auswirkungen sind nicht absehbar.
Traute Uneinigkeit
In Hamburg soll die Lehrerausbildung für Gesamtschulen und Gymnasien vereinheitlicht werden, da sich der Arbeitsaufwand der Gymnasiallehrer an den Gesamtschulen als außerordentlich effektiv und erfolgreich bewährt hat. Bildungssenator Ties Rabe (SPD) lobte die Maßnahme und bestätigte, dass aktuell rund 40 Prozent der Lehrer an den in Hamburg sogenannten Stadtteilschulen aus dem Gymnasialbereich stammen. Etwa 42 Prozent seien Gesamtschullehrer (GHR-Qualifikation). Rabe würde eine noch höhere Anzahl von Lehrkräften mit Gymnasialqualifikation begrüßen, da dann eine Begleitung der Oberstufe bis zum Abitur noch problemloser möglich wäre und es gäbe noch höhere Quoten bei den Bewerbungen.
In Schleswig-Holstein beschreitet die Politik andere Wege und reagiert mit einer Kehrtwende. Karin Prien, SPD-Bildungsministerin, plant die Abschaffung des erst vor drei Jahren eingeführten Lehramtes des Sekundärschutzlehrers. Nach den Planungen soll es demnächst wieder zwei getrennte Lehrämter, eines für das Gymnasium und eines für die Gesamtschulen im Land geben. Hierzu soll auch die Ausbildung entsprechend an den Landesuniversitäten Kiel und Flensburg getrennt durchgeführt werden. Bildungsministerin Prien scheint allerdings die Möglichkeit von organisatorischen Problemen berücksichtigen zu wollen und hält sich die Universität in Flensburg auch zur Ausbildungsqualifikation der Sekundarstufe II bei den zukünftigen Gemeinschaftsschullehrern vor.
Kritik vom Philologenverband
Dem Vorsitzenden des schleswig-holsteinischen Philologenverbandes, Jens Finger, fehlt derweil jedes Verständnis für die Planungen der Ministerin. Finger hält die Entscheidung hinsichtlich der Trennung zur Lehrerausbildung zwar grundsätzlich für richtig, aber die Ausrichtung bei den Belangen zur Sekundarstufe II Qualifikation für nicht konsequent durchdacht und falsch. Der Verbandsvorsitzende begründete seine Position mit dem fachwissenschaftlichen Studium spezifischer Fächer wie beispielsweise Mathematik, bei denen der Qualitätsanspruch beim Standort Flensburg nicht gegeben sei. In Kiel erfolglose Studenten würden in Flensburg zu einem Abschluss gelangen, so Finger.
Zusammenspiel der Kräfte
Im Klartext würde diese unzureichenden Fachkräfte oder schlechter ausgebildete Lehrkräfte für nicht so ganz aufgeweckte Schüler bedeuten. Ist dieses die Absicht der Politik, könne man von einem Skandal sprechen. Aber ist das wirklich so, wenn der Chef des Philologenverbandes derartige Argumente und Behauptungen ins Feld führt? Sind die getrennten Ausbildungen für junge Lehrkräfte wirklich unumgänglich, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden?
Die Bildungsforschung verneint derartige Vorgaben. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut bestätigten die Wichtigkeit, für alle Schüler von gut fachlich und didaktisch ausgebildeten Lehrern unterrichtet zu werden, aber ein begnadeter Mathematiker erteilt damit beispielsweise noch keinen besseren Unterricht. Es gehe um das Zusammenspiel aller wichtigen Kenntnisse, Voraussetzungen und Bedingungen. Ob dieses innerhalb der Bundesrepublik gelingt, wenn die Länder bei der Lehrerausbildung wieder unterschiedlichste Wege beschreiten, bleibt offen. Für die Lehrer erhöhen sich wiederum der Druck und die Ungewissheit.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
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