Zuletzt aktualisiert am 28.09.2024 um 12:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 4-5 Minuten
Die Verhandlungen über die Große Koalition sind abgeschlossen und die ausgehandelten Zielsetzungen der neuen Bundesregierung sind im Koalitionsvertrag zu Papier gebracht. Ein Kernbereich ist der so formulierte „Pakt für den Rechtsstaat“, der Handlungsfähigkeit erhalten und das Vertrauen in die Demokratie stärken soll. Auf Bundes- und Länderebene soll dieser Pakt das Dauerthema „Innere Sicherheit“ stabilisieren und den chronisch unterbesetzten und überlasteten Behörden von Polizei und Justiz Tausende neue Stellen bescheren.
Missstände seit Jahren bekannt und analysiert
Bei den überlasteten Organen von Justiz und Polizei wartet man bereits seit Jahren auf ein konkretes Handeln seitens der Politik. Viele Rechtsexperten und Verbände drängten seit geraumer Zeit auf eine deutliche Personalerhöhung, anstelle eines stetigen Sparkurses mit massivem Stellenabbau. Die erheblichen Probleme, zum Beispiel hinsichtlich langwieriger Verfahrensbearbeitung und die vorzeitige Entlassung von Straftätern aus der Untersuchungshaft sowie zahlreiche andere Missstände sind durch etliche Analysen, Statistiken und Expertenbeurteilungen auch den politisch Verantwortlichen längst ins Bewusstsein gerufen worden. Auch in der bundesdeutschen Öffentlichkeit, die generell ein überwiegend positives Grundvertrauen in die Justiz an den Tag legt, sprach sich in einer bereits im Jahr 2014 durchgeführten Studie des Allenbacher Institutes die Mehrheit der Befragten (71 Prozent) dafür aus, dass die deutsche Justiz überlastet sei.
Der Richter Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes und auch Direktor des Amtsgerichtes in Bielefeld, ging in einer Publikation sogar noch weiter, indem er den Rückzug der staatlichen Verantwortung aus einigen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung anprangerte. Aufgrund des erheblichen Personalmangels würden rund 34 Prozent aller von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren vorzeitig eingestellt oder im Rahmen der Antragsdelikte vor Prozessbeginn geschlichtet. Der Richterbund hat hierzu schon vor geraumer Zeit einen Forderungskatalog formuliert, dessen Umsetzung er nun auch von der neuen Bundesregierung erwartet und der sich aus folgenden Punkten zusammensetzt:
- Deutlich spürbare Investitionen im Bereich der Justiz
- Schaffung einer soliden Infrastruktur auf digitaler Ebene
- Schaffung von mindestens 2000 neuen Stellen im Bereich der Richter und Staatsanwälte
- Rechtsreformierungen für ein effizienteres Strafprozessrecht zur erheblichen Verkürzung der Verfahren
- Verhinderung und Minderung beim Anstau strafverfolgender Maßnahmen sowie beim Rechtsschutz
Pakt für den Rechtsstaat
Die Forderungen des Richterbundes wurden bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD jetzt offensichtlich aufgegriffen und finden sich im Entwurf des Koalitionsvertrages wieder. Dieser beinhaltet im Rahmen des „Paktes für den Rechtsstaat“ die explizite Schaffung von 2000 neuen Richterstellen bei der Justiz auf Bundes- und Landesebene. Außerdem heißt es in dem Papier, dass entsprechende „Folgestellen“ zu besetzen sind und es drückt das Versprechen der Politik aus, die Digitalisierung bei der Justiz einheitlich zu verwirklichen, in allen Bereichen. Fortschritte und Reformen soll es auch im Bereich des Strafverfahrensrechtes geben, um die Verfahren beispielsweise durch die Bündelung der Vertretungen von Nebenklägern zu beschleunigen.
Zur Entlastung der Gerichte soll auch ein modernisiertes Selbstleseverfahren führen. Andere Punkte sind ein verbesserter Verbraucherschutz im Zuge der Musterfeststellungsklage. Insgesamt befasst sich das Koalitionspapier intensiv mit der Thematik des Verbraucherschutzes. Die zentral angelegte allgemeine Schlichtungsstelle für Verbraucher wird nun komplett vom Bund getragen. Wichtige Änderungen sollen auch im Bereich des Sanktionsrechtes für Unternehmen zur effizienteren Bekämpfung und Strafverfolgung bei der Wirtschaftskriminalität führen. Im Bereich des Asylrechtes ist es Anliegen der neuen Großen Koalition durch spezifische Maßnahmen, die Verfahren deutlich schneller zum Abschluss zu bringen.
Personalaufbau und mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden
Im Bereich der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden sollen nach dem Willen der neuen Regierung rund 15.000 neue Stellen bereitgestellt werden. Der „Pakt für den Rechtsstaat“ spricht hier von einem bereits begonnenen Prozess der Personalausstattung beim Bund und bei den Ländern. Der Abschluss der geplanten Stellenerhöhungen soll am Ende einer sogenannten „Ausbauphase“ liegen, deren zeitliche Eingrenzung sich nicht im Koalitionspapier findet. Allein beim Bund sollen 7500 neue Stellen geschaffen werden. Als zentrales Datenverwaltungsorgan für polizeiliche sowie sicherheitsrelevante Datenbestände wird das Bundeskriminalamt (BKA) berufen.
Unter dem Dach des BKA soll nach den Bekenntnissen des Koalitionsvertrages auch ein „Investitionsfonds“ entstehen, der den IT-Bereich der gesamten Polizei abdeckt. Nach den Verhandlungen zur Findung der neuen Regierung hatte der noch amtierende Innenminister Thomas de Maizière bereits weiterreichende Befugnisse für die Behörden im Sektor der inneren Sicherheit angekündigt. Justiz und Polizeibehörden sollen gerade im Bereich des digitalen Datenaustauschs deutlich verbessert miteinander arbeiten können. In Zukunft erhalten die Sicherheitsbehörden Zugriff auf die Daten sogenannter „Messenger-Dienste“. Ein Aspekt hierbei ist die Bekämpfung von strafbarem Verhalten in sozialen Netzwerken.
Ein verhältnismäßiger und der sicherheitsrelevanten Lage angepasster Ausbau der Videoüberwachung mit Verbesserungen im technischen Bereich ist ebenfalls Inhalt des Vertrags. Um Gefahrenlagen besser einschätzen zu können und Fehlanalysen zu minimieren, wird das Terrorismus-Abwehrzentrum enger mit anderen Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten und einem reibungslosen, internen Datenaustausch unterliegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst soll während der Koalitionsverhandlungen den Wunsch nach einer „schnelleren Reaktion“ von Polizei und Justiz geäußert haben. Die nun vorherrschende Maxime der neuen „GroKo“ ist mit „schneller, besser, effizienter“ gut beschrieben.
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