Zuletzt aktualisiert am 05.10.2024 um 12:51 Uhr, Geschätzte Lesezeit: 4-5 Minuten
Betroffenen, Verbänden und Gewerkschaften reicht es! Das Ausmaß der Gewalt gegen Einsatzkräfte hat in den letzten Monaten überhandgenommen und es ist an der Zeit, die Situation zu beruhigen, auch mithilfe der Justiz und der Politik. Rettungskräften, Polizisten, Feuerwehrleuten und Bahnbeschäftigten leben im Dienst seit Langem mit der Problematik, doch in Anbetracht der massiven Zunahme in der jüngsten Vergangenheit, sollte nun endlich gehandelt werden.
Erhebliche Zunahme der Übergriffe
Zu Beginn des neuen Jahres nahm eine breite Öffentlichkeit erstmals relativ geschockt und hervorgerufen durch eine komplexe mediale Berichterstattung, die erhebliche Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehr und gegen Rettungssanitäter wahr. Die Betroffenheit, dass sich die Gewalt ausgerechnet gegen Menschen richtet, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer inneren Motivation lediglich anderen Menschen helfen wollen, war groß. Besonders massiv stellten sie die eskalierenden Gewalttätigkeiten gegen Einsatzkräfte in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Leipzig dar. Nach Angaben des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, hatte es vor allem in der Silvesternacht wieder zahlreiche brutale Übergriffe auf Polizisten und Kollegen der Feuerwehr oder gegenüber Sanitätern gegeben.
Die Gewalt zeigt hierbei viele Facetten und auch weitere Berufsbereiche, wie Lehrer, Beschäftigte von Bus und Bahn, Angestellte der Agentur für Arbeit oder Bedienstete in der öffentlichen Verwaltung sind betroffen. Schläge, Tritte, Beschimpfungen und Beleidigungen gehören oft zum Arbeitsalltag. Die Übergriffe auf Polizeibeamten werden seit 2011 in einer entsprechenden Statistik erfasst und jährlich veröffentlicht. Seit Beginn der Analyse sind die Zahlen stetig gestiegen und allein im Jahr 2016 gab es 72.000 Taten gegen Polizeibeamte, eine weitere Steigerung um 11 Prozent gegenüber der Vorjahresaufzeichnung. Der GdP-Vorsitzende bestätigte gegenüber der Presse die Tendenz und erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Zunahme der massiven Gewaltdelikte, die oftmals völlig willkürlich erscheinen und keinen erkennbaren Anlass haben.
Grundsätzlich hätte sich in Vergangenheit die Problematik verstärkt, indem sich das polizeiliche Gegenüber tendenziell aggressiv zeige, sich per Smartphone verständige und sich zu größeren Gruppen zusammenfände, um augenscheinlich gegen Polizeibeamte vorzugehen, so Oliver Malchow. Oftmals stelle sich die Situation so dar, dass Gewalt gegen Beamte eskaliert, nur weil diese als Polizisten erkennbar ihre Tätigkeit ausüben wollen. Gerade junge Polizistinnen und Beamte sind diesen Ausschreitungen, massiven Bedrohungen sowie Beleidigungen oft nicht gewachsen. Der GdP-Vorsitzende verwies auf die zunehmende Respektlosigkeit des polizeilichen Gegenübers und auf ein immer mehr voranschreitendes Problem innerhalb der Gesellschaft. Malchow forderte eine gezielte und zügige Aufstockung des Personals und ein umgehendes Handeln der Politik, da nur durch starke polizeiliche Präsenz und eine hohe Aufklärungsquote effektiv gegen derartige Übergriffe vorgegangen werden könne.
EVG fordert mehr Sicherheitspersonal
Auch Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert eine deutliche Erhöhung des Sicherheitspersonals für die Deutsche Bahn. Der Einsatz von immer mehr Videoüberwachungstechnik verhindere letztendlich keine Straftatenbegehungen, so Kirchner. Lediglich gut ausgebildetes, qualifiziertes Sicherheitspersonal, welches in problemrelevanten Zügen in Form von Doppelbesetzung tätig wird, ist spezifisch in der Lage eskalierende Situationen einzudämmen, argumentierte der EVG-Vorsitzende bei einer Pressekonferenz. Marco Rafolt, Gewerkschaftssekretär der EVG, prognostizierte im Rahmen der jährlichen Erfassung von Übergriffen auf das Sicherheitspersonal der Deutschen Bahn, welche seit dem Jahr 2012 durchgeführt wird, einen weiteren Anstieg der Gewalt.
Im Jahr 2016 wurden mit 2374 Körperverletzungsdelikten die bislang meisten Vorfälle erfasst, wobei die Erhebungen der Daten keinen Anspruch auf Vollständigkeit vorweisen. Die Tendenz zeigt, dass die Zahlen stetig steigen, wobei die Schwerpunkte der Ereignisse besonders an den Wochenenden und in der Nacht liegen, so Rafolt. Das zunehmende Ausmaß der Gewalt zeigt sich auffallend konzentriert in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern. Die Betroffenen kommen nicht nur aus dem Bereich der DB-Sicherheit, sondern sind zunehmend auch Beschäftigte von Regionalzügen, Busunternehmen und der Reisezentren. Die Gewerkschaft hat für Gewaltopfer und Betroffene unter den Bediensteten im vergangenen Jahr eine eigene Helfer-Hotline unter dem Namen „Ruf Robin“ eingerichtet, unter der Hilfe und Beratung bereitgestellt werden. EVG-Sekretär Rafolt fordert unterdessen besseren Arbeitsschutz und spezielle Möglichkeiten der Gefahrenabwehr, die zum Teil schon vereinbart wurden, sowie Schulungen für Zugbegleiter.
Unterstützung der öffentlichen Arbeitgeber
Der Fachgruppenleiter „Feuerwehr“ der Gewerkschaft ver.di, Arno Dick, sprach sich unlängst gegen Selbstverteidigungskurse oder Schutzkleidung zur Gewaltabwehr für Feuerwehrleute aus. Dieses sei aus den einsatzbedingten Tätigkeiten der Beschäftigten zum einen kaum umsetzbar und zum anderen müsse durch mehr Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen auf die Gefährdung in manchen Situationen hingewiesen werden. Dick kritisierte, dass derartige Maßnahmen zur Weiterbildung und Schulung in der Vergangenheit immer mehr abgenommen haben, da durch die chronischen Unterbesetzungen die Mitarbeiter ständig für die Einsatzlagen gebraucht würden. Der Gewerkschafter forderte diesbezüglich ein deutlich höheres Maß an Verantwortung und Respekt von den öffentlichen Arbeitgebern und Dienstherren.
Dieser Forderung schloss sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund an. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte, dass gerade die notwendige Unterstützung durch den Arbeitgeber bei der Aufarbeitung der Geschehnisse für die Betroffenen sehr wesentlich sei und diesen das Gefühl vermittle, nicht, allein mit der Problematik umgehen zu müssen. Die stellvertretende Vorsitzende des DGB, Elke Hannack, verwies auf die Fürsorgepflicht des Dienstherren und die Verpflichtung, den Schutz der Beschäftigten zu gewährleisten. Für Hannack ist die Grenze der Gewalt gegen Einsatzkräfte und das Maß, welches noch tolerierbar sei, längst überschritten. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende forderte in vielen Bereichen eine deutliche Erhöhung des Personals sowie verpflichtende präventive Maßnahmen, wie Schulungen über deeskalierende Verhaltensregeln.
Weiterführende Quellen zu diesem Thema:
Bewertung abgeben
( Abstimmen)