Die Fälle von Tuberkulose unter den Insassen der bundesdeutschen Haftanstalten sind in der Vergangenheit stark angestiegen. Mussten Justizvollzugsbeamte bislang eine Infektion mit der bakteriellen Lungenerkrankung präzise nachweisen, so gilt eine Ansteckung der Beamten fortan als qualifizierter Dienstunfall.
Die weiße Pest
Die durch „Tröpfcheninfektion“ übertragbare Tuberkulose oder auch „weiße Pest“ tritt weltweit wieder mit zunehmender Häufigkeit auf. In der globalen Statistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt sie die Skala der tödlichen Infektionskrankheiten an. Allein im Jahr 2015 starben rund 1,8 Millionen Menschen an ihren Folgen. Die bakterielle Erkrankung unterliegt in den meisten Ländern der Meldepflicht und wird mit verschiedenartigen Antibiotika behandelt. Ende Juli dieses Jahres wurden drei Justizbeamte in der Haftanstalt Kleve mit dem Erreger angesteckt.
Mussten die Betroffenen in der Vergangenheit noch detailliert Ansteckungsweg und Krankheitsverlauf nachweisen, welches die Dauer der finanziellen Erstattungen hinsichtlich der Gesundheitskosten deutlich verzögerte, so wird die Infizierung mit Tuberkulose nun generell als Dienstunfall anerkannt. Die Beamten können so einen finanziellen Ausgleich für den „Unfall“ erhalten und das zuständige Bundesland trägt die Behandlungskosten. Sollten betroffene Justizmitarbeiter nicht mehr in den Dienst zurückkehren können, steht diesen der Erhalt eines Unfallruhegehalts zu.
Justizvollzug und Tuberkulose
Über die Entwicklung, den Umgang und die Prävention zur Tuberkulose im Strafvollzug gibt es zahlreiche ärztliche Studien und wissenschaftliche Abhandlungen. In Zusammenarbeit mit dem deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) konnten so einige Erkenntnisse gewonnen werden. Zwar gibt es weltweit wenige Daten zur Tuberkulosesituation in den Haftanstalten, welches eine präzise Auswertung erschwert, doch prognostizierten einige Mediziner bereits Anfang des neuen Jahrtausends, dass die Ansteckungsgefahr für Justizvollzugsbeamte um das zwölffache höher sei als bei der Allgemeinbevölkerung.
Grundsätzlich spielen Faktoren wie Hygiene der Insassen, Überbelegungen und Kontakt der Häftlinge untereinander eine wesentliche Rolle. Im Rahmen der Tuberkulose ist eine hohe Rate an resistenten und multiresistenten Bakterienstämmen auffällig. Einhergehend mit der Erkrankung ergibt sich eine erhebliche Quote von Koinfektionen wie beispielsweise HIV oder Hepatitis. Herkunft, medizinische Vorgeschichte, Status und Risikogruppierung der einzelnen Häftlinge begünstigen die Tuberkuloseansteckung ebenso wie schlechte Luftventilation, enge räumliche Verhältnisse oder eine erhöhte Fluktuation innerhalb der Gefangenenpopulation.